Porn Studies sind das Forschungsfeld, das sich mit Pornographie beschäftigt. Entgegen all den „jetzt denkt mal endlich jemand an die Kinder“ oder Panik vor Pornosucht, versuchen sie, Pornos als Teil unserer Kultur zu verstehen, fragen, wie wir Pornographie definieren, regulieren, was darin kulturell ausgehandelt wird. Doch selbst die akademische Beschäftigung damit leidet mitunter am selben Stigma, wie der Gegenstand selbst.
Mich selbst hat mein Interesse für Pornos zu Porn Studies geführt. Als ich Fem Porn, die feministische Antwort auf den chauvinistischen kommerziellen Porno, entdeckt habe, fand ich das so spannend, dass ich alle Seminararbeiten in meinem Studium in Richtung dieses Themas ausgelegt habe. Dafür musste ich natürlich auch recherchieren. Schon klopfte ich an die Tür der Porn Studies. Ich sollte sie nie wieder schließen.
Ganz ähnlich erzählt Peter Alilunas, Professor am Department of Cinema Studies an der Universität von Oregon davon, wie er angefangen hat, nämlich an der Grad School, quasi dem Pendant zu unserem Masterstudium. Er hat auch realisiert, wieviel dabei noch offen ist, wieviel neue Pfade es zu beschreiten gibt.
Das ist vielleicht spannend, wenn man nicht nur kompiliert, was fünfzig andere Leute zu etwas gesagt haben, dass schon elendig oft durchgekaut wurde, aber es ist auch herausfordernd, denn die Literatur ist überschaubar. Vor allem die brauchbare Literatur. Mein wichtigster Input, als ich angefangen habe, war Linda Williams. Sie gilt als die Pionierin der Porn Studies (in einem Gespräch mit mir scherzte sie, dass sie sich ehr als Großmutter der Porn Studies bezeichnen würde).
Sie legte Erkenntnisse aus dem Musical und Melodram auf Pornos um. Da gibt es nämlich auch „Nummern“ (nicht Sex, sondern Gesangseinlagen), die sich in spezifischer Weise auf das Narrativ beziehen. Das lässt sich durchaus vergleichen und umlegen. Ihre Bücher „Hard Core“ und „Porn Studies“ fehlen in keinem Bücherschrank von Porn Studies Scholars.
Mittlerweile gibt es zum Glück schon um einiges mehr an Literatur zum Thema, das Feld wächst, auf jeder Konferenz gibt es ein paar neue Gesichter. Die beschäftigen sich mit spannenden Themen und eröffnen Perspektiven, welche die typische Pornoforschung nicht aufmacht. Alan McKee erforscht, wieso verschiedene Disziplinen so verschiedene Ergebnisse dazu auffinden, welchen Einfluss Pornos nun haben. Das Ergebnis: Es liegt an ihren unterschiedlichen Definitionen. Nicht nur von Porno, auch was gesunde Sexualentwicklung ist. Sozialpsychologie sieht tendenziell überall einen Schaden, was nicht in monogamen hetero Paarbeziehungen landet, die Cultural Studies feiern die sexuelle Vielfalt.
Buchempfehlungen zu Porn Studies
Da kommt man zu anderen Schlüssen. Madita Oeming beschäftigt sich mit Pornosucht – allerdings nicht so skandalisierend, wie wir das kennen. Sie beschäftigt sich mit dem Narrativ Pornosucht und der Frage, wie es sein kann, dass etwas schon so breit als Wahrheit gilt, ehe noch überhaupt belegt ist, dass es überhaupt existiert.
Und doch ist der Kreis jener, die sich damit beschäftigt immer noch überschaubar. Das hat auch mit einem gewissen Stigma zu tun. „Die größte Schwierigkeit liegt im Stigma, dass damit verbunden ist, weil Pornographie noch so stark stigmatisiert wird. Deshalb bekommt man viel komische bis geradeheraus hasserfüllte Reaktionen,“ so Madita Oeming. Selbst wenn man nicht zur zweifelhaften Ehre kommt, dass man wie Alan McKee von einem Senator öffentlich attackiert wird, so gibt es auch Probleme innerhalb des Wissenschaftsbetriebs. Selbst etablierte Porn Studies Profs empfehlen jungen Leuten mitunter zuerst mal zu etwas anderem zu publizieren, sich einen Namen zu machen und sich dann erst der Pornographie zuzuwenden. Es kann bei Jobs oder Buchveröffentlichungen scheinbar durchaus noch ein Nachteil sein.
Dafür ist nicht nur die Beschäftigung erfüllend, sondern auch der Kreis der Porn Studies Scholars ein familiärer, in dem man sich gegenseitig versteht und unterstützt und schnell Anschluss findet. Wie gesagt, der Bereich ist noch überschaubar. Ich kann zwar selbst nicht sagen, ob ich überhaupt einmal eine akademische Karriere anstreben sollte, ich kenne die Problem aber noch aus meinem Studium. Auch auf Konferenzen sind mir Rektoren schon in die Quere gekommen, die es unmöglich fanden, dass ich bei meinen Vorträgen explizites Material zeige. Was soll ich sagen, es gibt auch noch etwas, dass andere in den Filmwissenschaften nicht immer behaupten können: Der Saal war nämlich rammelvoll (pun intended!).
Mehr Informationen zu Porn Studies, Videointerviews mit Expert*innen aus dem Feld, eine Podcast und einen kleinen Porn Guide findet ihr auf porn-studies.com: