Wohlfühlorte im Tal des Schreckens

 

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit der Frage, ob dieses ominöse Internet auch Orte bereithält, in denen mensch sicher ist vor Anfeindungen oder Shitstorms und die einen Rückzugsort vor dem bösen Feind dem Kapitalismus darstellen – dort wo weder Leistung erfordert wird, noch Konkurrenzdenken zueinander unsere Existenz bestimmt? Wenn ja, wo verstecken sie sich und warum sind wird andauernd mit Diät- und Fitness-Werbung konfrontiert, aber nicht mit Content dieser Art?

Ein paar dieser Orte hab ich gefunden und für bequem und ganz wunderbar erachtet. Deshalb möchte ich euch hier eine kleine Selektion meiner liebsten Instagram-Wohlfühlorte vorstellen. Dort wo radical softness in seiner schrillsten Ausprägung zelebriert wird, wo Geschlechterklischees, der Tabuisierung der Monatsblutung und der Pathologisierung von psychischen Erkrankungen der Kampf angesagt wird. Beginnen möchte ich diese Artikel-Reihe mit Menschen, die Kunst mit Body Positivity, Selbstakzeptanz und Feminismus vereinen und ganz wunderbare und schön anzusehende Dinge mit ihren Händen (oder Computern – wer weiß das heute schon?) (er)schaffen:

 

The Vulva Gallery

Die Künstler_in hinter diesem Account malt Vulven in all ihren Ausprägungen, Formen und Farben – einmal mit großen, dunklen inneren Labien, einmal mit einer kaum sichtbaren Klitoris, einmal mit kurz rasierter Intimbehaarung, einmal mit krauser. Die Zeichnungen der Vulven sind so unterschiedlich wie wir Menschen auch – und genau darum geht es hier: aufzuzeigen, welch unfassbar große und schöne Vielfalt existiert und dass ALLE Vulven wunderschön und genau richtig sind, so wie sie sind!

 

You’re Welcome Club

Bei diesem Account steht das Vorhaben, körperliche Vielfalt  in den Fokus zu rücken und sichtbarzumachen, was es noch so alles gibt abseits der Normschönheit. Hier sind Illustrationen von People of Colour, Transpersonen, Menschen mit BeHinderung, dicken, dünnen, großen, kleinen, haarigen, stoppeligen, starken, tattowierten… Menschen zu finden, die allesamt aufzeigen, dass wir alle so unterschiedlich und trotzdem bzw. gerade deshalb so schön sind.

https://www.instagram.com/p/BcCxujEH8kf/?taken-by=yourewelcomeclub

 

Frances Cannon

Oh Frances! Damit das hier nicht zu einem heimlichen Liebesbrief mutiert, nur ein paar knappe Worte. Ich finde Frances´ künstlerische Arbeiten ganz groß und finde mich in vielen ihrer Illustrationen wieder. Ein immer wiederkehrendes Motiv ihrer Auseinandersetzungen ist der dicke – im Sinne einer lediglich körperlichen Beschreibung und keiner negativen Zuschreibung – Frauenkörper und seine Enttabuisierung, die sie mit Repräsentation und Sichtbarmachung anstrebt.
Frances Cannon arbeitet stilistisch sehr unterschiedlich. Einerseits zeichnet sie minimalistisch und verwendet lediglich schwarzen Fineliner, andere Kunstwerke stechen durch ihre bunte Wasserfarben hervor.
Meiner Meinung nach eine gelungene Kombination von Kunst und Aktivismus, die jedem Menschen gut bekommt!

 

Recipes for Self-Love

Recipes for Self Love schafft, wohltuende und empowernde Sprüche mit trendy Design und hippen Farben zu verbinden. Auch hier wird großen Wert auf die Repräsentation von Vielfalt gelegt und Körper jenseits von (bloß) weiß, cis, hetero finden Platz in diesen Illustrationen. Neben der großartigen graphischen Aufmachung, schaffen die Sprüche und Phrasen eine Atmosphäre, die Zuversicht und Anerkennung sich selbst gegenüber ermöglicht und so ehrlich und wahr sind, dass mensch bzw. zumindest ich, ein wenig beruhigter in diese Welt hinausgehen kann. Gegen kapitalistische Leistungsmaximierung, für mehr Selbstakzeptanz und Wertschätzung!

 

Slinga Illustration

Slingaillustration ist der Account einer furchtlosen Leipzigerin, die mit ihren Zeichnungen auf Stoffsackerln, Stickern oder T-Shirts ganz schön Eindruck hinterlässt. Auf humorvolle Art und Weise wird hier gegen Stigmatisierungen und Klischees angekämpft. „Pizza Rolls! Not Gender Rolls“ ist einer der vielen Kampfansagen von Slinga. Eine Ode an den Nonkonformismus und bereits seit einiger Zeit fester Bestandteil meiner schönen Instagram-Bubble.

https://www.instagram.com/p/BVoxNeqj_jj/?taken-by=slingaillustration

 

Love Yourself First Project

Aus dem Abschlussprojekt Loveyourselffirst ist so viel mehr geworden – mittlerweile zählt das Projekt mehr als 24 000 Abonnent_innen. Die Graphikerin Laura Klinke thematisiert in ihren Posts Geschichten und Gedanken, mit denen sich ihre Follower_innen an sie gewendet haben und macht daraus hübsch anzusehende Kunst mit Mehrwert. Sie bringt nicht nur individuelle Erlebnisse und Erfahrungen aufs Papier, sondern auch gesamtgesellschaftlich relevante Themen wie die Sichtbarmachung von sexueller Gewalt durch den Hashtag metoo oder die Problematik von Schönheitsidealen, mit denen Menschen im Allgemeinen und Frauen im Besonderen konfrontiert sind. Ein super cooles Projekt, das künstlerisch, wie auch inhaltlich einen wichtigen Beitrag zur Body-Positivity-Bewegung beiträgt.

"Ich bin jung Mutter geworden und zwar mit 21 Jahren, was an sich schon eine Herausforderung ist. Ich war schon immer zierlich & schlank und hatte recht schnell nach der Geburt mein altes Gewicht wieder (was mich sehr glücklich gemacht hat). Aber man sieht meinem Körper an, dass ein Leben darin gewachsen ist. Das ist okay für mich. Jeden dieser Dehnungsstreifen liebe ich. Und dass mein Bauch nicht mehr so straff ist, wie bei den Instagram-Fitness-Models ist auch okay. Aber dann gab es einen Tag im letzten Sommer, an dem ich mit meiner kleinen Familie im Freibad war. Eigentlich wollten wir nur die Sonne genießen, aber ich merkte schnell, wie die Leute mich von oben bis unten musterten. Dann hörte ich Getuschel: "Wie kann die denn einen Bikini anziehen?" oder "Man, das ist ja voll ekelhaft, ein Badeanzug wäre besser bei dem Bauch". Für mich war das so schlimm. Mir wurde jedes Selbstbewusstsein genommen. Jetzt, ein Jahr später denk ich: Scheiß drauf! Ich zieh an, was ich will, denn jeder Mensch ist wunderschön, so wie er ist!" – Dem After-Baby-Body wird so enorm viel Aufmerksamkeit geschenkt und es wird sich wie die Geier darauf gestürzt, wer wann wieder was für einen Körper nach der Geburt des Kindes bekommt. Dabei sollte es um das Glück gehen und die Liebe und all das. Nicht darum, wer am Schnellsten wieder wie vorher aussieht. Und wenn sich der Körper verändert und danach einfach anders aussieht, dann ist das auch nicht schlimm, sondern ganz normal in Anbetracht der Tatsache, was er für ein Wunder vollbracht hat. Das ist doch etwas Tolles! Warum wird das durch diese ganzen Oberflächlichkeit so herab gestuft? Wie seht ihr das? Habt ihr diesen Druck selbst spüren müssen? Habt ihr das Gefühl, es wäre ein Wettkampf (auf Instagram und im realen Leben?). #loveyourselffirstproject

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Fembroidery

Hier wird Kunst und Empowerment neu gedacht. In detailreicher Handarbeit werden in neuem-alten Stil Holzrahmen mit Stoff bespannt, um sie anschließend mit Worten zu bezaubern. Eindrucksvolle Verzierungen spielen dabei eine wichtige Rolle – nur unschwer lässt sich erkennen: jeder Stich sitzt! Die Leitgedanken der Künstlerin – fight racism, smash patriarchy and be a rebel girl – finden sich auch in den Stickereien wieder. Ziemlich große Sache!

Your productivity doesn't define your worth.

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Das war die erste Runde, but: there is more to come! Es war unmöglich, euch von allen Menschen in einem Post zu erzählen, deshalb wird’s eine kleine aber feine Artikel-Serie geben. Früher oder später erfährt ihr hier mehr über meine Lieblings-Instagramseiten– bis dahin:

take care of yourself and be proud of yourself!

About The Author


Sophie

Ausgebildete Sexualpädagogin, Studium der Gender Studies. Sophie beschäftigt sich mit Themen wie Bodyimage, Sex und Geschlechtergleichstellung.

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