Welchen Porno man sich guten Gewissens anschauen kann

Welche Pornos kann man sich guten Gewissens anschauen?

Was ist guter und was schlechter Porno? Pornographie ist nicht mehr in den Fängen der Mafia, wie in Großbritannien der 60er Jahre und bewegt sich auch nicht mehr in legalen Grauzonen wie in den 70er Jahren. Die Forschung geht außerdem davon aus, dass Gewaltdarstellungen seit den 80er Jahren abgenommen haben. Die Pornowelt sieht also weit nicht mehr so düster aus, wie oft angenommen. Bei den meisten Produkten kann man davon ausgehen, dass es sich um konsensuellen Sex von Erwachsenen handelt, die bezahlt wurden und unter Einhaltung gesundheitlicher Standards gearbeitet haben. Dennoch wuchert es auf den Plattformen geradezu von frauenfeindlichen Darstellungen und Rassismus, wenig realistischen Körperbildern und nicht gerade sexpositiver Darstellung der Akte. Deshalb hier ein paar Empfehlungen, was man sich reinziehen sollte.

Bild der Frau

Der Mann möchte Sex, die Frau Sicherheit und eine Beziehung. So das Klischee. Das spielte sich nicht nur im Porno ab, sondern allgemein in der Gesellschaft, in Romanen, Film und Fernsehen. Sex and the City brach in den 90ern radikal damit und zeigte Frauen, die Bock auf Sex hatten und sich nicht dafür schämten.

Im Porno ist das Bild immer noch weit verbreitet, dass Männer Sex wollen und Frauen im Gegenzug Geld oder Jobs. Die weiblichen Figuren sind meist nur dazu da, männliches Begehren zu befriedigen. Weibliche Lust existiert eigentlich kaum, außer um dem Mann zu zeigen, was er für ein toller Hecht ist, was dann aber schon kaum was mit weiblicher Lust zu tun hat.

Das Sex and the City des alternativen Porno ist zweifellos Lust Films der in Barcelona ansässigen Schwedin Erika Lust. Ihre und viele andere Filme findet man auf EroticFilms.com .Sie hat sich zwar schon Kritik eingefangen, zu kommerziell zu sein, zeigt in Hochglanzästhetik nicht die größte Vielfalt an Körperformen oder Sexualitäten, achten aber stets auf glaubwürdige weibliche Agency und weibliches Begehren. Außerdem hat sie den Pornofilm qualitativ einige Stufen höher gebracht. Wenngleich sie im alternativen Spektrum noch am kommerziellsten ist, hat sie es von den Pionierinnen des Fem Porn am ehesten geschafft, sich ökonomisch zu etablieren und damit eine Nische aufzumachen, von der auch Newcomer profitieren.

Vielfalt an Sexualitäten

Fem Porn macht viel für die Repräsentation der (heterosexuellen) Frau, ist aber sehr im Hochglanz verfangen und zeigt tendenziell konventionellere Standards von Schönheit und Begehren. Um das ganze Spektrum zu erfassen, muss man den heterosexuellen Rahmen verlassen. Eine größere Vielfalt an Körpern, Sexualitäten und Praktiken sieht man eher beim Queer Porn.

Anfangs stark im antikommerziellen Selfmade und DIY-Look verhaftet, konnten sich auch hier schon ein paar Unernehmen am Markt etablieren. Die Crashpad Series,  der in San Francisco beheimateten Amerikanerin Shine Louise Houstons, unterstützt von der queeren Ikone Jizz Lee, ist die bekannteste Produktion von Queer Porn Clips im Netz und ihr PinkLabel TV zeigt eine große Anzahl an Titeln und damit einer großen Vielfalt sexueller Identitäten, Körpern und Spielarten, Dykes, Lesbians, Butches und Femmes, Trans People, People of Colour, auch Ältere oder Menschen mit Beeinträchtigungen und ist somit in Sachen Diversität sicher das größte Programm.

Raum für neue Perspektiven

Alternative Genres konventionalisieren sich in der Regel selbst, so sie einmal auf dem Markt etabliert sind. Das ist dann meist Porno, der zwar nicht ganz den Klischees entspricht, aber dennoch nur bedingt versucht, die Grenzen zu sprengen. Das beginnt damit, dass Porno nicht immer aufgeilen muss, sondern auch zum Nachdenken anregen, neue Perspektiven eröffnen, ja sogar verstören kann und auch darf. Wir sind Erwachsene und es muss nicht immer alles mit Puderzucker überzogen sein. Inputs, die uns bewegen, müssen nicht alle gleich aussehen. Das verkauft sich zwar nicht ganz so rasant, ist aber allemal einen Blick wert.

Die Schwedin Maria Engberg hat vor mittlerweile schon über zehn Jahren ein Pionier Werk darin geschaffen, was man wohl als Avantgarde Porno bezeichnen könnte. Ihre Dirty Diaries zeigen sich nicht nur inhaltlich, sondern auch formal als äußerst vielfältig. Das Kollektiv Meow Meow arbeitet seit fünf Jahren an bewusst nicht-kommerziellen Pornoclips und schafft es vielleicht auch genau deshalb, mit frechen und außergewöhnlichen Stories auf sich aufmerksam zu machen.

Und weil ich nicht ganz uneigennützig sein möchte: Da gibt es auch noch Arthouse Vienna! Gemeinsam mit der ehemaligen Opernsängerin Adrineh Simonian habe ich das Arthouse Porn Genre reanimiert, dass in den 90er Jahren das ästhetisch experimentelle Stiefkind der Pornographie war. Wir arbeiten größtenteils mit Menschen, die noch nie vor der Kamera waren. Sie können entweder in unsere Blackbox, einem Format, in dem sie alleine und ungezwungen, ohne Vorgaben oder Skript, ihren sexuellen Selbstausdruck zeigen können, oder sich bei unserem Blind Date dem Wagnis stellen, mit einer Person mit verbundenen Augen Sex zu haben, die sie nicht kennen und auch erst danach zum ersten mal sehen werden. Da wir das Experiment tatsächlich wagen und große Offenheit für das Ergebnis haben, können wir nicht ganz kontrollieren, was dabei rauskommt. Das sieht man auch. Ich bin aber jedes mal wieder überrascht, wie sinnlich und zärtlich diese Annäherungen fremder Menschen sind. Wenn jeder One-Night-Stand so aussehen könnte, die Welt wäre eine bessere!

Pornographie wird die Welt nicht retten. Aber ihr könnt die Pornographie ein kleines Stückchen besser machen, wenn ihr alternative Projekte unterstützt. Damit wir noch weiter weg kommen von den Klischees, von problematischen Körperbildern und unrealistischen und auch nicht sehr positiven Vorstellungen von Sexualität. Für eine Pornographie, die uns zeigen kann, wie wir Sexualität ungezwungen und positiv ausleben können, wie sie etwas sein kann, an dem man persönlich wachsen kann und das Menschen verbindet. Am Ende wäre das vielleicht auch eine Pornographie, die ein wenig in die Gesellschaft zurückwirken kann.

About The Author


Pat

Patrick ist Autor und Filmemacher. Er macht Dokumentarfilme und produziert mit Arthouse Vienna Queer, Feminist und Arthouse Porno.

Er hat mit "Feminismus fickt!" ein Buch über Perspektiven feministischer Pornoindustrie geschrieben.

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