Mit Arthouse Pornographie kam seit Anfang der 90er Jahre ein neues Genre auf, dass so gar nichts mit dem rauen Mainstream zu tun haben wollte. Es bildete die Hochglanzvariante des Pornos, als Gegenpol zu den plumpen Amateurstreifen. In einer anderen Sachen unterschied es sich zunächst nicht: Arthouse war ein Männerspielzeug. Dudes ergötzten sie sich an Frauenkörpern – das Playboy Magazin in Videoformat. Doch auch das hat sich mittlerweile geändert. Dabei war das Genre wohl das einflussreichste bei der Enstehung eines ganz anderem: Dem Fem Porn. Doch alles der Reihe nach!
Wie ist Arthouse Pornographie entstanden?
Arthouse Porn wurde in den 90er Jahren damit verbunden, nicht so direkt zu sein, wie übliche Hardcore-Pornos. Pioniere waren Andrew Blake oder Michael Ninn. Sie wurden als „arty“ bezeichnet, was wohlgemerkt nicht dasselbe ist, wie „Art“. Denn Arthouse Porno bediente sich zwar dem künstlerischen Look, einer körnigen Oberfläche, rhythmischen oder arhythmischen Montage oder Schwarz-Weiß-Bildern. Es hatte aber wenig damit zu tun, was man aus der Videokunst oder dem Avantgarde-Film kennt.
Künstlerische Methoden wurden nur angespielt, nicht aber erkundet, damit experimentiert oder sie selbst zum Thema gemacht. Der Arthouse Porno versuchte in der Regel schön zu sein und bediente sich an künstlerischen Looks um dieses Ziel zu erreichen. Clarissa Smith, Herausgeberin des Magazins Porn Studies bezeichnete Arthouse Porno deshalb als den Porno, der kein Porno sein wolle. Somit könnte man ihn auch als den sauberen bourgeoisen Gegenpart zum rauen proletarischen Porno bezeichnen. Wenn wir uns einem Vergleich aus der Welt der Pornohefte bedienen: Es ist in der quasi der glatte Playboy zum plumpen Hustler. Man sprach auch vom PornChic.
Die 90er Jahre waren auch die Anfänge eines anderen Genres, das maßgeblich von Arthouse Porn beeinflusst wurde: Fem Porn oder Feminist Porn. Das PornChic wanderte vom Saucege Club der Arthouse Guys zu aufstrebenden feministischen Labels. Feministische Pornographie hatte nämlich ein ähnliches Interesse: Seit den frühen 80er Jahren war Porno fest in der Hand von billigen Amateurproduktionen. Sie mussten sich also von der Mehrheit der Produktionen auch formal abgrenzen. Da das Image der Pornoindustrie nicht nur ein chauvinistisches war, sondern auch von der Amateur-Ästhetik geprägt war, lag es nahe, sich im Look bei Arthouse Produktionen zu bedienen. Viele der Fem Porn Regisseurinnen müssen sich bis heute die Kritik gefallen lassen, dass ihre Produktionen zu glatt sind, zu sehr an den Look von Hochglanzmagazinen angeglichen sind.
Arthouse Porn ist seit dem Siegeszug des Fem Porn beinahe verschwunden. Doch erst kürzlich erlebt es eine Renaissance. Und ist dabei wiederum von den neuen Genres stark beeinflusst worden. Nämlich von Feminist Porn, Queer Porn und Post-Porno.
Die neue Arthouse Pornographie
Arthouse Vienna ist eine der wenigen Pornofirmen, die sich dem Genre des Arthouse verschrieben haben. Manche Dinge ändern sich nie. So macht auch Arthouse Vienna mit der ehemaligen Opernsängerin Adrineh Simonian, eher Upper-Class Porno, als Clips für den Massengeschmack. Doch auch die wesentlichste Veränderung zum frühen Arthouse Porno der 90er zeigt sich in der Wiener Firma. Denn damals war Arthouse reine Männersache. Die Pioniere des Genres gerierten sich wie filmische Hugh Hefners, die sich an ihren Bunnies ergötzen. Dabei machten sie auch noch einen auf Künstler. Arthouse Porno beinhaltete eine klare Privilegierung des männlich-heterosexuellen Subjekts. Es war getragen vom Male Gaze auf Frauen, die wie Playboy-Models auszusehen hatten.
Ein starker Unterschied zu früheren Formaten ist hier schon auszumachen. Denn die Wiederbelebung des Genres kam von Frauen. Erst in der Hochglanzästhetik des Fem Porn und nun in der Neuauflage von Arthouse Porno. Ein weiterer Unterschied der zeitgenössischen Variante ist auch, dass der neue Arthouse Porno stark von Queer Porn und Post-Porn beeinflusst ist. Ein feministischer Impetus und das Ziel der adäquaten Repräsentation von Frauen und weiblicher Lust waren von Anfang an mit an Board.
Arthouse Vienna zeigt eine Vielfalt an sexuellen Identitäten, Formen des Begehrens, Körpertypen. Dabei ist man aber immer noch näher dran am Experimentalfilm und somit an der Kunst, als Arthouse in seinen Ursprüngen. Fast jede Produktion beinhaltet etwas experimentelles. Ob nun es Blackbox Porno ist, in dem die teilnehmenden Amateure mit der Technik alleine sind. Oder das soziale Experiment des Blind Date, in dem Menschen mit verbundenen Augen Sex haben, die sich noch nicht kennen und auch erst nach dem Akt kennenlernen. Die Reflexivität zur eigenen Machart, zu pornographischen Konventionen und zum Medium selbst wird in der Serie Post/Porn hergestellt.
Arthouse Vienna ist mit seinen großen Produktionen sicherlich immer noch einer Hochglanzästhetik nahe. Doch das „y“ in „arty“ ist seit den 90ern sichtbar erblasst. Die heutigen pornographischen Genres zeigen überhaupt sehr verschwommene Grenzen. Der Unterschied zwischen Porno und Kunst kann nicht immer eindeutig ausgemacht werden. Die Grenzen sind fließend. Ebenso wie sich der Feminismus und die Queer-Bewegung überlappen.
Arthouse Porno gehört wohl genauso wie Fem Porn eher zum „Lipstick-Feminism“ der schöneren Looks, narrativeren Strukturen und konventionelleren formalen Erscheinungsbildern. Insofern bedienen sie sich beiderseits des PornChic Labels oder des Marketings des „Porno für Frauen“ oder „Porno für Paare“. Doch auch auf dieser Seite gibt es noch genug Platz für neue pornographische Darstellungsweisen. Und da Arthouse stets versucht, ein experimentelles und reflexives Mittel zu enthalten, wird er sich wohl nicht so schnell konventionalisieren lassen, wie es beim Fem Porn passiert ist.
So ist Arthouse Porno zwar dazu verdammt, eine Niesche zu bleiben. Aber wenigstens können wir so sicher sein, dass von dort immer neue, spannende Impulse kommen werden, die auch filmsprachlich interessant sind. Und davon brauchen wir noch viele.