Warum wird Kunst von Frauen weniger ausgestellt? Warum sind ihre Arbeiten weniger wert? Und warum wird ihr Schaffen immer im Kontext ihres Geschlechtes bewertet? Darüber diskutierten wir heute im Kunstforum Wien. Ich durfte mir das Podium mit der Journalistin Isolde Charim und der Autorin Teresa Präauer teilen. Hier meine Gedanken zu der Diskussion über die Unterrepräsentiertheit der Frau in der Kunst und die Reduzierung auf ihr Geschlecht.
Wo sind die Künstlerinnen? Gibt es sie nicht oder sind sie nur so schwer zu finden? Keineswegs! Ein Beispiel: Die Ausstellung „Körper, Psyche & Tabu“ im Wiener Mumok aus dem Jahr 2016 warf einen Blick auf den Wiener Aktionismus und die frühe Wiener Moderne. Begehren war ein zentrales Thema der Ausstellung. Es war ein reines Sausage-Fest: Brus, Nitsch, Klimt, Schiele, Mühl. Bei letzterem wurde übrigens mit keinem Wort der Kindesmissbrauch thematisiert – eine äußerst unkritische Beweihräucherung der männlichen „Helden“ der österreichischen Kunstgeschichte. Wo waren die Frauen? Es wurde ein kleiner Raum im Keller (!) eingerichtet, der feministischen Perspektiven gewidmet war. „Feministische Perspektiven“ wurde allerdings synonym verstanden mit „Kunst von Frauen“. Dort war auch Valie Export verstaut. Sie hat meiner Meinung nach nicht nur spannendere Werke geleistet, als manche ihrer oben genannten männlichen Kollegen des Wiener Aktionismus, sie ist international mitunter sogar bekannter. Ihre Zigarettenpackung ist im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellt. Bei uns sind die Frauen im Keller. Man kennt außerdem kaum weitere Frauen des Wiener Aktionismus, der wohl populärsten zeitgenössischen Kunstströmung, die es in Österreich gab. Man könnte meinen, nur Export hätte sich in diesem Männerverein durchgesetzt, die Frauen größtenteils als Musen und Modelle akzeptierten. Doch es gab viel mehr!
Kunst von Frauen strukturell benachteiligt
Dieses Problem ist ein Strukturelles und damit ein Politisches. In NÖ haben so kritische Künstler wie Nitsch und Deix ihr eigenes Museum gekriegt und das obwohl dort der Landesfürst Pröll so autark regiert hat. Selbst mit diesen Künstlern rühmen sich konservative Politiker. Doch feministische Kunst geht zu weit, sie ist zu subversiv. Valie Exports Werk wurde in OÖ gerade einmal in das Lentos integriert, zusätzlich wurde eine Forschungseinrichtung zu Performancekunst nach ihr benannt. Ihr ist das lieber als ein staubiges Museum. Aber was soll sie auch sagen. Ihrem Stellenwert wird es nicht gerecht.
Heute sieht es natürlich etwas anders aus, als zu Zeiten O’Keefes. Damals waren Frauen noch weitgehend von der Ausbildung ausgeschlossen, geschweige denn von den Strukturen der Kunstbetriebe und des Marktes. Und doch hat es auch einen Vorteil – nicht ökonomisch, aber kreativ. Wenn man außerhalb der Strukturen ist, ist man geneigter, neue Wege zu gehen, sich weniger an alten Routinen zu orientieren. Das sieht man auch an der Pornographie. Kein Wunder, dass Frauen nicht nur Arbeitsweisen und Bild des Pornos revolutionierten und sich kaum Männer darunter fanden. Sie waren von den Strukturen ausgeschlossen, mussten eigene aufbauen. Auch in der Kunst waren es Künstlerinnen, die das Bild der Frau vom männlich objektivierenden Blick befreiten. O’Keefe und Kahlo waren zwei der ersten Frauen, die am Kunstmarkt im großen Stil reüssierten. Und doch hängte O’Keefe jahrzehntelang das Image nach, das ihr Partner Stieglitz für ihre ersten Ausstellungen entworfen und verbreitet hatte: Das sie eine genuine geschlechtliche Frauenperspektive hätte, Frauen die Welt anders wahrnehmen würden und zwar nicht mit dem Verstand, sondern mit ihrer Gebärmutter. Stieglitz war überzeugt von der Gleichberechtigung der Frau im Kunstbetrieb und wollte an den Verhältnissen etwas ändern. Mit diesen Worten vermarktete er O’Keefe überaus erfolgreich. Und erzeugte zugleich ein neues Problem: Die Reduzierung der kunstschaffenden Frau auf ihren Körper. Er neutralisierte seine eigene Intention mit neuen Mythen. Die Kritikerin Pollock meinte, auch Kahlo wäre so popularisiert worden. Nämlich als die Frau in der Kunst (da es kaum welche gab) und damit als genuin weibliche Künstlerin. Damit hätte man versucht, möglichst schnell eine Leerstelle der Frau in der Kunst zu füllen, ohne sie ernsthaft kunstgeschichtlich zu analysieren. Vielleicht gibt es auch etwas Gutes am Schlechten. Vielleicht ist es auch ein geringeres Übel auf der Wegstrecke. So ließen sich Künstlerinnen popularisieren, fanden den Weg in Museen. Von Nicht-Repräsentiertheit zu einer falschen Repräsentation. Und davon zur richtigen Selbstrepräsentation. Vielleicht ein nötiger Schritt auf der Wegstrecke. Von Ausstellungen ohne Frauen, zu „feministischen“ Kellerräumen, zu einem angemessenen Teil des Kuchens.
Selbst wenn O’Keefe Zeit ihres Lebens von ihrer Reduktion als Frau in der Kunst genervt war, durch die Popularisierung als die Frau in der amerikanischen Kunst hatte sie auch viel Aufmerksamkeit, genau diese Sache zu thematisieren. Wenn Frauen auch aus den falschen Gründen einen Platz finden, wenn sie ihn einmal haben, können sie das Bild zurecht rücken. Sie kriegen mehr Gewicht und können andere Frauen fördern. Ein falscher Vorteil kann für die richtige Sache genutzt werden.
Tun wir jetzt etwas!
Sensibilisierung ist toll, aber ein rein diskursiver Kampf wird ewig dauern. Es wird konkrete politische Maßnahmen brauchen. O’Keefe, als die amerikanische Künstlerin schlechthin, ist sehr populär, ihre Werke werden zu hohen Summen versteigert. Sie ist der weibliche Kunststar in den USA. Und doch sind ihre Arbeiten immer noch viel weniger Wert als jene der männlichen Kollegen. Der Kunstmarkt ist ein neoliberaler Archetyp, nur die Nachfrage reguliert den Preis. Der wird also nur steigen, wenn Künstlerinnen populärer werden. Und populärer werden sie nur, wenn sie öfter besprochen werden. Und dazu müssen sie ausgestellt werden. Man könnte zumindest in Bundes- und Landesmuseen eine Quote von mindestens 50% Einzelausstellungen von Künstlerinnen und mindestens 50% Werken von Frauen in thematischen Ausstellungen einrichten. Das wird am Anfang eine kuratorische Herausforderung, man kann nicht so schnell auf die künstlerischen „Eh-dabeis“ zurückgreifen, auf die Namen, die schneller einfallen oder herangetragen werden. Die weibliche Kunstgeschichte ist lange noch nicht zu Ende geschrieben. Doch es würde sie massiv ankurbeln. Und dort, wo Steuergelder aufgewendet werden, wäre es einfach zu rechtfertigen, die Kunstgeschichte der Frau nicht weiter brach liegen zu lassen.
Der Kulturminister Drozda scheint bislang etwas von seinem Handwerk zu verstehen und auch offene Ohren zu haben. Er ist affin für soziale Medien und reagiert durchaus auf Anfragen. Vor allem auf Twitter. Schreiben wir ihm heute noch!