Nils Pickert, purpurr

Nils Pickert über die Aufgabe, Männern Feminismus zu erklären

In dieser Serie zeigen wir Gesichter des Feminismus und portraitieren Aktivistinnen und Aktivisten. Nils Pickert ist freier Journalist und engagiert sich mit Pinkstinks gegen Sexismus in der Werbung. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was ihn motiviert, sich feministisch zu engagieren, wie er als Mann mit dem Label umgeht, was die größten Herausforderungen sind und wie er die nächsten Jahre sieht.

Wie bist du dazu gekommen, dich feministisch zu engagieren?

Relativ unspektakulär. Ich habe angefangen während des Studiums zu feministischen Themen zu schreiben und das als freier Journalist auch danach immer wieder Zeitungen und Zeitschriften angeboten – insbesondere mit Schwerpunkt auf geschlechtergerechte Familiengestaltung und Care-Arbeit. Im Sommer 2013 ist Stevie von Pinkstinks über einen meiner Texte mit mir ins Gespräch gekommen und hat mich gefragt, ob ich den Verein nicht unterstützen möchte. Da mich beeindruckt hat, wie viel der Verein angepackt und umgesetzt hat, habe ich spontan zugesagt. Seitdem ist feministischer Aktivismus ein Teil von mir.
 

Wie bist du auf Feminismus gekommen? Weißt du noch, wie dein Interesse begonnen hat?

Ich bin in der DDR aufgewachsen und habe von meinen Eltern eine ordentliche Portion Ungeduld und Ärger gegenüber Ungerechtigkeit mitbekommen. Von dort war es ein relativ kurzer Weg in den intersektionellen Feminismus. Zumal meine Mutter ganz klar Feministin war und mein Vater sich in die Care-Arbeit sehr eingebracht hat. Mich fasziniert Feminismus in seiner Doppelrolle als politische Idee und Ermächtigungsstrategie. Für mich findet er viele kluge Antworten auf die Frage was zu tun ist, wenn die Würde von Menschen angetastet wird. Und das wird sie nun einmal. Insbesondere die von Frauen und marginalisierten Gruppen.

Wie siehst du deine Position als Mann in der Bewegung? So ganz selbstverständlich ist das ja noch nicht…

Ich hadere immer so ein bisschen mit dem Label Feminist – unter anderem auch deshalb, weil es eine ganze Reihe von Männern gibt und gegeben hat, die sich unter dem Schutz dieses Labels in die Deckung von Feministinnen labern, um sie mit Übergriffigkeiten zu überziehen. Gleichzeitig vertrete ich feministische Positionen und habe den Begriff nach langen Jahren der Fremdbezeichnung schließlich als Eigenbezeichnung übernommen. Inzwischen bin ich ganz gut damit. Unter anderem auch deshalb, weil ich als maximalprivilegierter „Dude“ nicht so sehr in Versuchung gerate, mich der Bewegung anzudienen, weil die mich immer mindestens kritisch betrachtet und das ist auch richtig so. Diese Wachsamkeit mir gegenüber tut mir gut. So laufe ich weniger Gefahr zu einem dieser männlichen Feminismusdarsteller zu verkommen, die Applaus abgreifen wollen, weil sie Frauen sagen, was sie hören wollen. Und weil sich Applaus ja grundsätzlich gut anfühlt, ist diese Gefahr immer gegeben. Beispielsweise in diese „Ich bin ein Superdad“ Falle zu tappen, obwohl man einfach nur seinen Teil beiträgt. Um es kurz zu machen: Auf die Gefahr hin, mir von ihnen Ärger einzuhandeln, sollte es eher meine Aufgabe sein, anderen Männern zu erklären, was sie und ich vom Feminismus haben, als mir bei Frauen dafür Kekse abzuholen, ihnen etwas zu erzählen, was sie schon wissen oder hören wollen.

 
Ist Pinkstinks ein Vollzeitjob oder hast du noch andere Projekte?

Pinkstinks war in den ersten Jahren eine ehrenamtliche Arbeit und in den letzten eine bezahlte. Das war nicht wirklich geplant und hat sich eher so ergeben. Ich habe währenddessen auch immer als freier Autor und Journalist gearbeitet und schreibe für den österreichischen Standard, den Schweizer Tagesanzeiger und ein paar deutsche Zeitschriften. Über die vergangenen Jahre ist einiges an Vortragsarbeit hinzugekommen, die mach ich ganz gerne. Daneben saß ich die letzten Monate vor allem an einem Buch über die geschlechtergerechte Erziehung von Jungen.


 
 
Was sind die größten Herausforderungen, die sich in deinem beruflichen Alltag zeigen?

Ihn mit meinem Familienlieben unter einen Hut zu bekommen. Meine Lebenskomplizin hat in den vergangenen 9 Monaten in einer anderen Stadt gearbeitet und unsere vier Kinder waren in dieser Zeit bei mir. Das war einfach ziemlich viel Arbeit. Ansonsten habe ich häufig Probleme, die für Männer typisch sind, weil man ihnen beibringt, dass das nun einmal männlich ist: Ich habe meine eigenen Ressourcen nicht im Blick, kann auf Anfragen schlecht Nein sagen und empfinde zu oft so etwas wie Stolz, wenn ich Sätze sage wie „Ich muss auch im Urlaub arbeiten“. Das verzettelt mich in meiner Organisation. Was glücklicherweise immer funktioniert ist Schreiben.


 

Wo denkst du entwickelt sich das hin? Wie sieht die Zukunft aus?

Ich werde vermutlich weiterhin Schreiben, Aktivismus und Vortragstätigkeit miteinander kombinieren und unterm Strich annähernd so etwas wie eine bürgerliche Existenz daraus formen können. Bei einer sechsköpfigen Familie kein unwichtiger Aspekt. Bislang funktioniert das überraschend gut, obwohl ich gar nicht damit gerechnet habe und viele meiner freiberuflichen Kolleg*innen aufgrund von beschissenen Bedingungen in Kombination mit Selbstausbeutung über kurz oder lang aufgeben müssen und sich etwas anderes suchen.
Am wenigsten kann ich sagen, wohin sich mein innerer Aktivist entwickeln wird. Also der Teil in mir, der sich mittlerweile gerne Kampagnen ausdenkt, Projekte anschiebt und sich mit Leuten vernetzt beziehungsweise anlegt. Einfach weil ich gar nicht wusste, dass ein Aktivist in mir steckt. Diese Entdeckung verdanke ich Pinkstinks und vor allem Stevie. Mal sehen, wohin das führt.

Nils Pickert PortraitNils Pickert ist freier Journalist, schreibt unter anderem für DerStandard, und engagiert sich mit Pinkstinks gegen Sexismus in der Werbung.

About The Author


Pat

Patrick ist Autor und Filmemacher. Er macht Dokumentarfilme und produziert mit Arthouse Vienna Queer, Feminist und Arthouse Porno.

Er hat mit "Feminismus fickt!" ein Buch über Perspektiven feministischer Pornoindustrie geschrieben.

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