In den letzten Jahren hat Antifeminismus wieder Hochkonjunktur. Auf höchster politischer Ebene – und auf Youtube. Gleichzeitig gibt es sehr starke Lebenszeichen der feministischen Bewegung. Der Versuch einer Spurensuche anhand von drei Beispielen.
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(Der Artikel ist im Original bei den Feministischen Zwischenrufen des Gunda WernerInstitutes erschienen)
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Drei Einzelfälle mit System
„What they’ve done to this man is incredible.“ Das war es, was Donald Trump zu den Anschuldigungen sexueller Übergriffe durch seinen Kandidaten für das oberste amerikanische Gericht zu sagen hatte. Trump lässt Kavanaugh auch nach der Anhörung durch den Senat nicht fallen. Das Tragische daran: Es wundert niemanden mehr. Hatte er uns mit „grab `em by the pussy“ noch alle schockiert oder uns mit der Kürzung der Gelder für NGOs, die über Abtreibungen informieren, zumindest noch überrascht, so erwartet man nun nichts Anderes mehr. Es hat sich normalisiert. Zumal Trump auch längst keine Skurrilität mehr im Schaukasten der Weltpolitik darstellt. Er ist in bester Gesellschaft.
In Polen startete der Vorsitzende der PiS-Partei Jarosław Kaczyński Anfang des Jahres zum erneuten Angriff auf das Abtreibungsgesetz. Dabei hat das Land schon seit Jahrzehnten eines der restriktivsten Regelungen Europas. Eine weitere Verschärfung würde faktisch ein vollständiges Verbot bedeuten. Abtreibung ist derzeit in Polen nur dann erlaubt, wenn Gefahr für Leben oder Gesundheit der Schwangeren besteht, der Fötus unheilbar krank ist, oder Vergewaltigung oder Inzest vorliegt. Die PiS möchte das ändern und Abtreibung gänzlich unter Strafe stellen, und zwar mit Haft von bis zu fünf Jahren für die betroffenen Frauen und die behandelnden Ärzte.
Frauenministerium fördert nun Burschenschaften
Drittes Beispiel: Österreich. Dort konnte man sehen, wie schnell sich das Blatt wenden kann. Fast ein Jahrzehnt schien sich eine liberale Politik allmählich durchzusetzen. Die Grünen schafften es in die ersten Stadt- und auch Landesregierungen. Ganz tollkühne Köpfe träumte sogar vom Ende der großen Koalition. Die kam auch – nur ganz anders, als man dachte. Seit der neue Wunderknabe Sebastian Kurz für die Konservativen Wahlen damit gewinnen konnte, „Flüchtlinge“ und „Westbalkanroute“ bei jedem Thema irgendwie zu erwähnen, hat die bereits totgeglaubte ÖVP wieder Oberwasser und regiert nun mit der neu erstarkten FPÖ. Bekanntlich können dieser rege Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen nachgewiesen werden. Just diese Regierung hatte kurz nach ihrem Antritt große Eile damit, die Gelder für Fraueneinrichtungen stark zu kürzen und für das nächste Jahr noch größere Einschnitte anzukündigen. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass das Frauenministerium jetzt auch noch eine schlagende Burschenschaft mit 40.000 € fördert. Das ist ein rechtsextremer Verein, in dem sich Männer das Gesicht aufritzen und Frauen gar nicht zugelassen sind. Und der erhält jetzt Geld vom – dramatische Pause – FRAUENMINISTERIUM!
In Österreich ist man noch entsetzt, doch die Gewöhnung hat schon eingesetzt. Antifeministische Politik hat Hochkonjunktur, und es ist schwer zu sagen, ob der Höhenflug in absehbarer Zeit wieder abbrechen wird. Entsprechend wird auch seltener über das Ende diskutiert als über die Frage, wann vielleicht Horst Seehofer und die AfD das österreichische Modell übernehmen werden.
Die Zivilgesellschaft wehrt sich
Bürger*inneninitiativen zeigen uns gerade, warum nicht alles dem Untergang geweiht ist. Es heißt: wo viel Licht, da auch viel Schatten. Dann muss da, wo viel Schatten ist, ja auch irgendwo ein starkes Licht brennen. Und das tut es auch. Denn trotz allem habe ich in meinem ganzen Leben noch nie eine so starke feministische Aufbruchsstimmung gespürt. Angesichts dessen, dass uns gerade überall der Boden unter den Füßen weggezogen wird, ist das natürlich paradox. Trotzdem: Die gravierendsten Veränderungen in Demokratien kamen häufig von Bewegungen in der Zivilgesellschaft. Und die sind in der Regel aus Protesten erwachsen.
Ausgehend von den USA haben wir ein starkes Lebenszeichen des globalen Feminismus erlebt. Das hat der Women’s March 2017 von sich gegeben. Was als kleine Protestveranstaltung einer jungen Hawaiianerin begann, verbreitete sich in Windeseile in den sozialen Medien und wurde zu einer bundesweiten Aktion mit mehreren Millionen Teilnehmenden. So wurde es zur größten Tagesprotestaktion in der Geschichte der USA. Im Anschluss kam es zu Solidaritätsveranstaltungen auf der ganzen Welt.
Davor noch konnten wir ähnliches in Europa verfolgen – sogar mit ganz realpolitischen Konsequenzen. Ende 2016 konnte die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes in Polen gerade noch verhindert werden. Dazu brauchte es aber einen außerordentlichen Kraftakt der Zivilgesellschaft: Beim Czarny Protest kam es zu landesweiten Protesten. Bei über 140 Demonstrationen fluteten fast 100.000 schwarzgekleidete Frauen die Innenstädte. Die Regierung habe „die Wut des weiblichen, urbanen, liberalen Polen unterschätzt“. Eine schwere Niederlage, für den polnischen Rechtspopulismus.
Auch in Österreich bewegt sich etwas. Seit 1. Oktober kann das Frauen*volksbegehren unterschrieben werden. Volksbegehren sind in Österreich ein Mittel direkter Demokratie. So kann die Behandlung eines Gesetzesvorschlags im Parlament vonseiten Bürger*innen erlangt werden. Innerhalb von einer Woche müssen dafür 100.000 Unterschriften gesammelt werden. Das Frauen*volksbegehren hat diese Hürde mit schon fast 250.000 Stimmen bereits überwunden, doch es geht um die politische Schlagkraft, die es der rechtspopulistischen Regierung entgegenbringen kann. Und das wird ähnlich wie in Polen auch nötig sein.
Feminismus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen
Auf YouTube geht kaum etwas so schnell viral wie Frauenfeindlichkeit oder antifeministische Rants. Ich brauche das Wort Feminismus nur auszusprechen und habe drei Hasskommentare, bevor das Video überhaupt zu Ende ist. Die drei feministischen Beispiele zeigen aber, dass es sich dabei nicht um einen repräsentativen Spiegel der Gesellschaft handelt. Diese neuen feministischen Bewegungen hätten nie so viele Menschen auf die Straße gebracht, wenn sie nicht eine breite Basis hätten. Der Feminismus hat sich geöffnet. Für LGBTQIA+, für People of Color, für Menschen mit Migrations- oder Fluchthintergrund. Sogar der alte weiße heterosexuelle Mann findet darin Platz. Und alle sollten sich tunlichst aufmachen, mitzuhelfen, denn es geht um viel mehr als Frauenpolitik. Es geht um die unabhängige Justiz, die Presse- und Meinungsfreiheit, das Versammlungsrecht und Aufklärungs- und Bildungsarbeit. Es wird eng für unsere Demokratie, wenn all das weiter ausgehöhlt oder gar abgeschafft wird. Der stärker werdende Rechtspopulismus arbeitet schon fleißig daran, die Beispiele zeigen es. Alles davon ist ein Kampf gegen die Zivilgesellschaft. Und der Angriff auf Fraueninitiativen ist nur das erste Feld, wo dieser ausgetragen wird. Die Zivilgesellschaft ist nämlich das letzte Mittel, gegen Regierungen, die sich weder für Kritik, noch für Rechtsprechung interessieren.
Wir sollten uns alle aufbäumen, sie zu verteidigen. Es ist die Verteidigung der Demokratie. Und genau das macht man, wenn man diese feministischen Bewegungen unterstützt.
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(Der Artikel ist im Original bei den Feministischen Zwischenrufen des Gunda WernerInstitutes erschienen)
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