„Blood“ ist der erste Spot, den ich je gesehen habe, der Frauen und Menstruation nicht nur im Kontext von Scham und Hygiene darstellt, sondern als stark und kämpferisch – gerade auch während der Periode. Damit ist es ein starkes Zeichen gegen das Menstruationstabu.
Eine Bekannte hat mir einmal erzählt, dass ihr damaliger Partner sie schockiert darauf hingewiesen hat, sie solle nicht über ihre Menstruation sprechen. Das sogenannte Menstruationstabu (menstrual taboo) wird in den USA schon länger thematisiert. Es geht um jegliche Tabuisierung und soziale Stigmatisierung von Menstruation und menstruierenden Frauen. Menstruation wird dabei häufig als schmutzig oder peinlich konstruiert.
Öffentlich/Privat
Viele Tabus beschränken sich dabei auf die öffentliche Sphäre. Ein Bild der Künstlerin Rupi Kaur wurden von Instagram gelöscht, weil sie gegen die Richtlinien verstoßen würden. Ein roter Punkt auf Baumwolle war genug des Anstoßes. Sie wollte mit ihren Bildern gegen die Tabuisierung von Menstruation vorgehen und Instagram lieferte prompt ein eindrucksvolles Beispiel dafür.
Inhalte von Breastfeeding und Menstruation werden in den meisten sozialen Netzwerken geblockt oder gelöscht. Beides betrifft menschliche Realitäten, die sogar mit etwas so elementarem wie unserem Fortbestehen in Verbindung stehen. Da sie jedoch auch vor allem den weiblichen Körper betreffen, ist offenkundig, dass vor allem weibliche Körper und Körperfunktionen kontrolliert werden sollen.
(Nicht Nippel im Allgemeinen sind problematisch – nur weibliche Nippel sind es)
Es ist hier aber nicht nur eine Sache dessen, was öffentlich als manierlich gilt. Durch unseren gesellschaftlichen Umgang damit wird Mädchen vermittelt, es sei unangebracht darüber zu reden. Vor allem nicht mit Männern, denen im allgemeinen Körperfunktionen zu verheimlichen sein, um attraktiv zu sein. Die Frage, ob man überhaupt auf’s Klo gehen sollte, wenn der Freund in der Nähe ist, geht regelmäßig bei BRAVO’s Dr. Sommer ein. Die Attraktivität von Dekoration wird ihnen in jungen Jahren als erstrebenswert vermittelt, keinesfalls jedoch die eines normalen Menschens (denn ein solcher hätte normale Körperfunktionen).
Das Menstruationstabu ist kulturell verankert
Es ist tief in unserer Kultur verwurzelt die Menstruation als unappetitlich und peinlich zu konstruieren (vor allem in religiösen Traditionen). Der weibliche Körper wird erneut als problematisch, unberechenbar, zerbrechlich und schmerzbehaftet bewertet. Das verweist Frauen auf einen speziellen Platz und spricht ihnen indirekt bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten ab. Es wäre genauso gut möglich, Frauen gerade durch die Erfahrung der Menstruation als kämpferisch und durchhaltevermögend darzustellen.
Die meisten Werbespots von Menstruationsprodukten beschränken sich jedoch darauf, die Mythen aufrechtzuerhalten. Ohne über das gewissen Etwas direkt zu sprechen, versucht man dennoch Kaufanreize zu schaffen. Ein verquerer Fall des Menstruationstabus, aber ein umso anschaulicher. Sauberkeit ist wohl wichtigstes Kriterium. Nicht jedoch, Frauen mitzuteilen, sie seien durch die Menstruation nicht schmutzig. Durch das Produkt könnten sie trotz Menstruation den Anschein wahren, sauber zu sein. Niemand wird etwas davon merken. Weder optisch, noch durch Gerüche.
Uns scheint das Menstruationsblut so unangenehm zu sein, dass sie nicht nur unrealistisch darstellen, sie ändern auch gleich die Farbe. Werbespotsverwenden stets bläuliche, klar durchsichtige und dünnflüssige Flüssigkeiten, um Menstruationsblut darzustellen.
Eine Gesellschaft, die so mit natürlichen und körpereigenen Vorgängen umgeht, vermittelt den Betroffenen nichts Gutes. Das Menstruationstabu verheimlicht und sagt damit sehr viel: Damit muss ja quasi etwas nicht in Ordnung sein. Und deshalb müssen wir superawkward damit umgehen.
In My Girl (1991) hat die Hauptfigur, die kleine Vada, ihre erste Periode. Sie wird darüber aufgeklärt, was das bedeutet, allerdings nicht vor der Kamera. Das Gespräch geht nicht in den Film ein. Das Thema wird nicht mehr aufgebracht, bis Thomas sie wieder von zuhause abholen möchte. Sie stößt ihn von der Veranda und der Junge geht zu Boden. „Tauche fünf bis sieben Tage nicht mehr hier auf!“ schreit sie ihn an und wirft die Tür zu. Deine Periode ist weird, dein Körper ist weird, du bist weird. Bis zu dem Klische, Frauen seien weird. Zumindest oder auf jeden Fall, wenn sie ihre Tage haben.
Was wir von der Menstruation halten und wie wir damit umgehen ist also mehr, als die Reaktion auf ein bisschen Blut. Es geht darum, wie wir Frauen sehen und mit ihnen umgehen. Eine Umdeutung von schmutzig und unberechenbar zu kämpferisch und durchhaltevermögend ist nicht nur möglich, sondern auch naheliegend. Das Menstruationstabu ist ein zentraler Faktor unserer gegenwärtigen sexistischen Kultur. Im Aktivismus oder der Kunst kennen wir diese Versuche schon länger. Dass es mittlerweile schon in die Werbung eingegangen ist, wie im Spot „Blood“, ist umso erfreulicher.