Let´s talk about: Konsens

Triggerwarnung: Im anschließenden Artikel wird über die Themen Konsens, sexuelle Gewalt und Vergewaltigungen gesprochen.

Sexuelles Einverständnis, im englischsprachigen „Consent“ genannt, meint das ausdrückliche Einverständnis aller Menschen, die an sexuellen Interaktionen beteiligt sind. In Schweden ist seit diesem Jahr das aktive Einverständnis zu sexuellen Handlungen sogar gesetzlich verankert – sexuelle Interaktionen sind nur noch dann legal, wenn sie auch verbal bejaht wurden. Wie sinnvoll ist jedoch das Konzept des (verbalen) Konsenses? Und wo liegen seine Grenzen? Eine Rundumschau zum Thema Konsens

Das Konzept des Konsenses ist (eigentlich) nicht allzu kompliziert und leicht verständlich:

Im Sinne des Slogans „Nein heißt Nein“, bedeutet ein Nein gegenüber sexuellen Handlungen und Interaktionen immer „Stopp, bis hier her und nicht weiter“. Kann die betreffende Person aufgrund von Alkohol-, Drogen- oder anderen Substanzgebrauch kein aktives Einverständnis geben, bedeutet dies ebenso „Nein, stopp“. Jedes Nein muss in solch einer Situation respektiert werden; weitere Erklärungen sollten nie erforderlich sein!

Ja heißt ja

In aktuellen Diskursen wird – wie auch die Gesetzesreform in Schweden zeigt – der Fokus von „Nein“, auf ein aktiveres Einverständnis „Ja heißt Ja“ verlagert. Dadurch geraten betroffene Personen und survivors sexueller Gewalt aus dem Blickfeld – Fragen wie „Warum hast Du nichts gesagt?“ erscheinen dadurch noch unangebrachter als zuvor. Täter_innen sollten vielmehr mit der Frage, ob sie aktive Zustimmungen bekommen haben, konfrontiert werden.

Das Konzept des verbalen Konsenses besteht zunächst aus einer konkreten Fragestellung, worauf eine zustimmende Antwort folgen muss, um weitere Schritte sexueller Intimität zu gehen. Und all das im Idealfall BEVOR Grenzen überschritten und Gewalt ausgeübt wurde!

Die Uneindeutigkeit von Körpersprache

Nicht selten gibt es den Einwand, dass verbaler Konsens „unsexy“ wäre und „reden die Situation ruiniert“. Oftmals wollen sich Personen auf die Körpersprache des Gegenübers beruhen, anhand derer sie so und so erkennen, was er_sie will oder nicht will. Körperliche Reaktionen sind aber niemals eindeutig und dürfen deshalb nie als gegebenen Konsens gewertet werden. Ist eine Person verängstigt, kann sie beispielsweise schwitzen, schneller atmen und Herzklopfen haben. Die gleichen „Symptome“ können jedoch auch auf eine erregte Person zu treffen, wodurch die Mehrdeutigkeit nonverbaler Kommunikation deutlich wird. Und wer sagt überhaupt, dass der Einbezug der Sprache in sexuellen Situationen ein Killer ist? Denn: Lust durch verbalen Konsens auszudrücken, kann ziemlich sexy sein!

Consent is sexy. Sex without consent is rape.”

Zitat einer Kampagne zum Thema Konsens an US-amerikanischen Universitäten

Die Idee des verbalen Konsens: sinnvoll oder rückständig?

Rund um das Thema Konsens wurden jedoch auch kritische Stimmen laut. Ist der Konsens der passende Weg um zwischen „akzeptablen“ und „inakzeptablen“ sexuellen Erfahrungen und Verhaltensweisen zu unterscheiden? Gibt es Alternativen dazu? Negativ anzumerken ist, dass verbaler Konsens nicht dazu befähigt, Vergewaltigungen und sexuelle Grenzübertritte zu verhindern, jedoch die Diskussion über konsensualen Sex zu öffnen. Um mehr Sprache in intime Situationen zu inkludieren, mag ein abwehrendes „Nein, das möchte ich nicht“ oder ein zustimmendes „Ja“ nur wenig erfüllend sein. Aktivere Fragen wie beispielsweise „Was willst du, dass ich tue?“ können viel eher das Gespräch ins Rollen bringen.

Was ihr wissen müsst…

Zusammenfassend ist Konsens keine Überredungskunst und Schweigen, Passivität und Fügsamkeit keine Zustimmung – ein fehlendes Nein ist kein Konsens! Konsensualer Sex kann außerdem nie erzwungen sein, sondern beruht auf aktiver Zustimmung und Teilnahme an Entscheidungen – und das bei jeder weiteren Stufe sexueller Aktivität. Wurde sexuelle Gewalt an Personen angewandt, suchen diese oft die Schuld bei sich selbst und stellen sich die Frage, wie es so weit kommen konnte. Wichtig ist in diesen Momenten, dass Überlebende von sexueller Gewalt nie an traumatischen Erlebnissen wie sexueller Gewalt Schuld sind.

Feministische und antisexistische Ansichten mit in die sexuelle Praxis zu nehmen, bedeutet nicht, Sexualität und Geschlechtsverkehr zu verteufeln oder gar zu verbieten, sondern für eine bewusste und faire Haltung einzutreten, die vor sexuellen Handlungen um Zustimmung und Erlaubnis sucht und erst nach dem Erhalten eben dieser die Handlungen fortsetzt.

Auch wenn das Konzept des verbalen Konsenses kein politisches Instrument ist, um Sexualpolitik(en) herauszufordern, und die Idee des Konsenses davon ausgeht, Sexualität und Geschlechtsverkehr existieren immer auf Augenhöhe und ohne Hierarchien zwischen Männern* und Frauen*, ist es gegenwärtig unser (einziges?) Handwerkszeug, um in sexualpädagogischen Kontexten mit Menschen über fairen und ethischen Sex zu sprechen. Da das Problem sexualisierter Gewalt politisch ist und unser Rechtssystem systematisch gegen diese Art der Gewalt versagt, ist auch jeder Lösungsansatz politisch.

Ein eingängiges Video zum Thema Consent – „Don´t make them tea“

 

Further Readings:

Analog

Emilie Buchwald: Transforming a Rape Culture

Mithu Sanyal: Vergewaltigung

Zine: Learning Good Consent (downloadbares Zine mit Texten, Fragen und Gruppenarbeiten zum Thema Konsens, hier runterladen http://www.phillyspissed.net/node/32)

Links:

http://maedchenblog.blogsport.de/2008/01/08/have-sex-hate-sexism/

https://wirliebenkonsens.wordpress.com/links/

Kampagnen und Initiativen:

https://www.projectconsent.com/ (USA, Kanada)

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Ihr habt weitere Tipps, Anregungen und Leseempfehlungen? Oder ihr wollt einfach eure Erfahrungen zum Thema Konsens loswerden und jemandem erzählen? Dann ganz easy und vertraulich an: Sophie.purpurr@gmail.com

 

 

 

About The Author


Sophie

Ausgebildete Sexualpädagogin, Studium der Gender Studies. Sophie beschäftigt sich mit Themen wie Bodyimage, Sex und Geschlechtergleichstellung.

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