Trigger Warning: Mord und Gewalt an Frauen
Vor Kurzem wurde in Tulln (Niederösterreich) die fünfte Frau in diesem Jahr ermordet. Alle fünf Taten haben zwei Gemeinsamkeiten: erstens war der Täter immer ein Mann und zweitens kannten sich Täter und Opfer. Welche Motive liegen also hinter Frauenmorden und was kann getan werden, um Frauenleben zu schützen?
Femizide ist der Fachausdruck für weltweit begangene Morde an Frauen – und das nur deshalb, weil sie Frauen sind. Gründe hinter diesen Taten sind oft Eifersucht und Frauenhass, die im Affekt zu Kurzschlussreaktionen führen. Täter und Opfer kennen sich außerdem in den meisten Fällen: Täter stammen aus dem nächsten Umkreis des Opfers, sind Familienmitglieder, oft Partner oder Ex-Partner. Besonders Frauen sind hochgradig Betroffene bzw. Opfer häuslicher Gewalt. Im europäischen Vergleich liegt Österreich in diesem Hinblick sogar an der Spitze: in keinem anderen europäischen Land „ist der Anteil weiblicher Opfer bei Tötungsdelikten höher als in Österreich“, berichtet das österreichische Nachrichtenmagazin Profil.
Die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie veröffentlichte in ihrem Tätigkeitsbericht 2017 dass,
- 83% der Betroffenen bzw. Opfer von Gewalt in der Familie Frauen und Mädchen und
- in 88% der Fällen Männer die Gefährder bzw. Täter waren.
Gewalt zeige sich darüber hinaus in allen Milieus und sozialen Schichten – in privilegierten, sowie in sozioökonomisch schwächer gestellten Familien. Und ist ein globales Problem.
Frauenmorde als Instrumentalisierung der Rechten
Seriöse Quellen sprechen als von einem „globalen Problem“. Aha – doch kein „importiertes“? Verfolgt eine den Diskurs über Frauenmorde im deutschsprachigen Raum, kann sie schnell feststellen, dass rechtspopulistische Politiker_innen dieses Thema gerne an sich reißen. Jedoch nicht, um feministische Anliegen umzusetzen und Opferzahlen zu senken, sondern um mit Morden an Frauen Rassismus zu schüren, Menschen gegeneinander auszuspielen und Feindbilder zu konstruieren. Dabei wird u.a. das eigentliche Ziel komplett aus den Augen verloren: Frauenleben zu schützen und Präventionsarbeit mit Männern zu leisten.
Sprache schafft Wirklichkeit
Weniger seriöse Tageszeitungen sprechen nicht von Frauenmorden, sondern verwenden Begriffe, die die Tat und die dahinterliegenden Strukturen verschleiern. Welche Bilder entstehen bei euch, wenn ihr von „tragischem Familiendrama“, „blutige Beziehungstragödie“ o.ä. hört? Richtig, der Eindruck entsteht, als würde es sich hier um private Einzelschicksale, um einen individuellen Akt handeln, den sonst niemanden etwas anginge. So ist es jedoch nicht! Frauenmorde sind Teil eines strukturellen Problems, das auf der Vormachtstellung von Männern und Unterdrückung von Frauen basiert.
Patriarchy, burn!
Das Problem hinter Gewalt gegen Frauen ist nicht die Frau selbst (auch wenn sie sich oft die Schuldfrage stellt und fragt: Was habe ich gemacht, dass es soweit kommen musste?), sondern die Tötung von Frauen ist eine Konsequenz patriarchaler Verhältnisse. Die genauere Betrachtung der Morde zeigt, dass die Gemeinsamkeit hinter allen Fällen ein gesellschaftliches und strukturelles Grundproblem ist: Männlichkeit. Patriarchale Bedingungen machen nämlich aus Männern gefühllose Maschinen, ohne jegliche Copingmechanismen zum Umgang mit Emotionen zur Verfügung zu haben. Nie würde sonst jemand seine Ehefrau auf dem Parkplatz eines Supermarktes erstechen! Es ist der männliche Stolz und das männliche Anspruchsdenken, das auf Unterdrückung von Frauen und anderen aufbaut und dabei nicht vor Gewalt zurückschreckt.
Verständnisproblem der österreichischen Bundesregierung
Die Eliminierung häuslicher Gewalt sollte deshalb das Ziel politischer Interventionen sein. Die österreichische Bundesregierung stellt sich dabei leider besonders deppat (Österr. für „dumm“) an. Sie möchte nicht einsehen, dass Täterarbeit nur mit einem gleichzeitigen Opfer- bzw. Gewaltschutz zielführend ist. Stattdessen kürzt FPÖVP Maßnahmen zum Opferschutz, wobei sie gleichzeitig bei der Täterarbeit aufstockt. Ein Unterfangen, dass auch statistisch widerlegt wurde: Studien zeigen, dass einzig und allein mehr Geld in der Prävention von Tätern helfen würde, um Gewalt gegen Frauen zu senken.
Die aktuelle Regierung hat im letzten Jahr nicht nur die Förderung unzähliger feministischer Vereine und Initiativen gekürzt, sondern spielt auch Einrichtungen gegeneinander aus. Auf der Agenda des aktuellen Maßnahmenpakets steht die Einführung einer neuen Notrufnummer für von Gewalt betroffenen Frauen. So weit, so gut – eigentlich. Es stellt sich jedoch die Frage, welchen Sinn eine neue Frauenhelpline haben kann, wenn bereits zwei davon existieren und als wichtige Anlaufstellen gelten. Möglicherweise, um auch beim 24-Stunden Frauennotruf und der Frauenhelpline gegen Gewalt zu sparen und mehr Geld in die eigene Initiative zu stecken?
Frauenmorde und Gewalt gegen Frauen müssen bzw. können nur vor dem Hintergrund patriarchaler Machtstrukturen verhandelt werden und niemals das Problem „der anderen“ sein. Die Gemeinsamkeit hinter allen Frauenmorden ist der Täter – er war immer ein Mann. Deshalb muss die Arbeit genau an dieser Stelle angesetzt werden: wir alle, hier und jetzt müssen etwas dagegen tun und Frauenleben schützen. Auch wenn Staatssektretärin Karoline Edtstadler das Patriarchat leugnet, ist es notwendig gemeinsam zu kämpfen und für eine solidarische Gesellschaft einzutreten.
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Links zu den (bereits existierenden) Notrufnummern für Frauen und verschiedenen Beratungsstellen:
24-Stunden-Frauennotruf: 01 71 71 9
Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555
Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie
Männerarbeit: