Foto: Still aus dem Video für ze.tt
Körperhaare teilen sich in der Heterowelt in eine männliche und eine weibliche Hemisphäre auf. Haben tun sie beide. Auf der einen Seite jene, die sich nicht um sie kümmern (Männer). Auf der anderen Seite jene, die sie entfernen (Frauen). Es gibt gute Gründe, dies zu tun oder zu lassen. Doch warum sollte sich das am Geschlecht orientieren?
Gegenderte Körperhaare
Während Frauen am Kopf möglichst lange Haare haben sollten, dürfen sie ansonsten möglichst nirgendwo sprießen. Beides beinhaltet sehr viel Arbeit, und zwar täglich. Das lange Haupthaar muss vor dem austrocknen geschützt werden, die Spitzen gepflegt und, soll es etwas gleichschauen, braucht es auch mehr morgendliche Zuwendung als ein knackiger Buzz-Cut. Die Entfernung der übrigen Körperhaare kostet einiges an Zeit. Wir kommen da zusammengezählt auf einige Stunden im Monat.
Ich persönlich rasiere mir Achsel- und Schambereich und den Oberkörper. Das kostet mich jeden morgen Zeit. Dabei bin ich auf der Seite des Spektrums, der nicht nur der Besitz, sondern auch das Zurschaustellen von Körperbehaarung verziehen wird. Wenn es nicht sogar meine Geschlechtsidentität fördert. Männer sollten dafür zwar gut geschoren sein, das Haupthaar also eher kurz tragen, müssen sich dafür anderswo eher kaum um ihre Haare kümmern. Das spart immens Zeit. Zeit, um sich „wichtigeren“ Dingen widmen zu können. Denn tatsächlich geht es um die Pflege unterschiedlichen Kapitals. Macht, Geld, Stärke wird traditionell als männliches Kapital betrachtet, körperliche Attraktivität und Sex als weibliches. Das heterosexistische Geschlechterverhältnis wird durch ein Tauschgeschäft besiegelt.
Die Fitnessbloggerin Morgan Mikenas hat aufgehört sich die Körperhaare zu rasieren. Und testet damit Umfeld und Öffentlichkeit auf Reaktionen.
Gute Gründe dafür oder dagegen finden wir genug. Es ist unsinnig darüber zu streiten, denn daran ist nichts Logisches. Man kann es lassen, wenn es einem gleichgültig ist, man die Prioritäten anders setzt oder man Körperhaare attraktiv findet. Man kann es machen, wenn man es schöner findet, man sich gepflegter fühlt oder sich oder anderen manche Sexualpraktiken angenehmer gestalten möchte. Alles in Allem handelt es sich um persönliche Vorlieben. Wenn man ein netter Mensch ist, wendet man zunächst auf sich selbst an, was man von anderen erwarten möchte. Ansonsten ist man womöglich Sexist. Und sehr wahrscheinlich ein Arschloch.
Zwei Schritte vorwärts, einen zurück
Nun gut, ganz so in der Vergangenheit leben wir nun nicht mehr. Der Soziologe Otto Penz hat mir einmal erklärt, dass sich das vor allem für die Generation ab ’90 schon sehr anders darstellt. Wir sind mittlerweile schon länger gewohnt, dass Frauen studieren und Chefposten einnehmen. Sie können Kanzlerinnen werden um um Präsidentschaften kandidieren. Und doch hat es erst ab dieser Generation ein anderes Selbstverständnis erreicht. Es geht damit einher, dass Frauen dieser Generationen nicht nur traditionellere Formen dieses Kapitals selbstverständlicher für sich beanspruchen. Sie erwarten von Männern auch stärker, anderes Kapital zu liefern. In anderen Worten: Eine dicke Brieftasche oder ein guter Posten allein reichen seltener als früher – Männer müssen fescher sein, wenn sie bei Frauen Erfolg haben wollen.
Wir sprechen hier aber nicht von etwas, das einfach in nackten Zahlen greifbar ist. Wir sprechen von Tendenzen. Es mag sich schon viel geändert haben, die alten Muster haben wir deshalb immer noch im Kopf. Wir sehen neue Arten von Weiblichkeit und Männlichkeit. Der Mainstream neigt aber immer noch – wenn auch weniger rigoros – zu Vereinheitlichung von Schönheitsbildern. Körperbehaarung ist wohl eine Sache, die wir nicht schnell entspannter wahrnehmen werden. Denn auf eine etwas andere H&M Kampagne kommen dutzende, die sich wieder an das alte Muster halten. Auch im Porno tut sich was. Wobei das selbst im Alternative Porn übrigens immer noch fast ausschließlich in der DIY oder Queer Porn Szene bearbeitet wird. Warum sehen wir das nicht im Mainstream? Warum so selten bei den größten Fem Porn Produktionen? Würde die Kundschaft abspringen? Ist die Akzeptanz für behaarte Frauen so niedrig?
Feministische Experimente
Die Bloggerin Kristina Lang hat ein Experiment gewagt und sich ein Jahr lang die Körperhaare wachsen lassen. Sie dokumentierte, wie es ihr dabei ging, wie das Umfeld oder auch fremde Menschen reagieren. Und natürlich auch den Haarwuchs an sich. Dabei reflektiert sie die Optik und die Erwartungshaltung in der Kluft zwischen behaarter und gleichzeitig nach gängigem Schönheitsideal attraktiver Cis-Frau.
Ze.tt hat ihren Versuch in einem Video zusammengefasst: