Das Verhältnis zwischen Feminismus und Gender Studies wird gerade kontrovers debattiert. „Sargnagel der Frauenemanzipation“ nannte die EMMA die Gender Studies. DieZeit wollte daraufhin prompt den War of the Giants heraufbeschwören. Wie ist das Verhältnis zwischen Feminismus und Gender Studies? Wie ist es historisch gewachsen? Gender-Bashing kennen wir ja vom Stammtisch, aber warum kommt da jetzt so harsche Kritik ausgerechnet von einer feministischen Seite?
Feminismus und Gender Studies – Politik und Forschung
Wenn Feminismus das politische Projekt der Emanzipation ist, so sind die Gender Studies ihr analytisches Standbein, so die Soziologin Sabine Hark. Sie sind ein Teil des Feminismus, wenn auch nicht im politischen Aktivismus. Sie sind historisch betrachtet aus der Frauenbewegung entstanden. Frauen forderten lange eine Teilhabe an akademischen Institutionen, auch als Wissenschaftssubjekt. Damit wollten sie auch die Dekonstruktion der Geschlechterordnung auf den Plan bringen. Was in den 70er Jahren als Frauenforschung etabliert wurde, entwickelte sich zu Frauen- und Geschlechterstudien und wurde schließlich in den 90er Jahren zu den Gender Studies. Das passte zum wissenschaftlichen Diskurs, zum damals stark rezipierten Poststrukturalismus und der Konjunktur der Cultural Studies. Andererseits passte die Entwicklung auch immer zum jeweiligen politischen Paradigma. Hatte sich der Second Wave des Feminismus in den 70er Jahren noch an einen Identitätsbegriff „Frau“ gewandt, so wurde die Perspektive mit der Third Wave um einiges komplexer. Neue Themenfelder kamen hinzu.
Dass der Feminismus ab den frühen 70er Jahren akademisch geworden ist, liegt also an den Bemühungen der Frauenbewegung. Es ist ein feminist turn in der Wissenschaftsgeschichte und ein academic turn im Feminismus. Sabine Hark schlüsselt die Geschichte dieser Institutionalisierung in ihrem Buch Dissidente Partizipation auf. Es war eine wichtige und notwendige feministische Errungenschaft. Teilhabe ist überhaupt erst Voraussetzung dafür, etwas verändern zu können. Sollte auch im Wissenschaftsapparat gegen Sexismus gearbeitet werden, musste er feministisch besetzt werden. An immer mehr Universitäten konnte ein entsprechendes Kursangebot realisiert werden. Der Wandel von Frauenforschung zu Gender Studies passt zu jenem vom Differenzfeminismus des Second Wave zum intersektionalen Feminismus des Third Wave. Beide Seiten haben sich ganz offensichtlich immer gegenseitig beeinflusst.
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Die Soziologin Sabine Hark zum Verhältnis von Feminismus und Gender Studies:
Sabine Hark ist Soziologin und Leiterin des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (
Sie bloggt auf feministische-studien.de
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Gender-Bashing ausgerechnet aus dem Feminismus?
Bekämpft der Feminismus nun seine eigene Errungenschaft? Im Gender-Bashing der EMMA heißt es in etwa „Im Gender-Clan herrscht einzig ein Judith-Butler-Monolog“, „Warum untersuchen die Gender-Studies nicht das Frauenbild von Moscheepredigern?“ oder auch „Das Studium der Gender Studies macht die Studierenden nicht schlauer“. Nun ist weder Judith Butler Dauerthema in den Gender Studies, noch ist es so abwegig, dass das Frauenbild in spezifischen Bereichen der muslimen Community tatsächlich untersucht wurde. Bei all den Untersuchungen, die über Jahrzehnte auf der ganzen Welt stattfanden, ist davon sogar stark auszugehen. Die Themenvielfalt der Gender Studies ist immens. Ich selbst lehrte fast zwei Jahre lang zu Pornographie. Und es war wahrlich kein Judith Butler Lesekreis.
Davon auszugehen, dass Gender Studies nicht schlauer machen würden, ist aus feministischer Perspektive fatal. Die Gender Studies sind das Forschungsprojekt des Feminismus. Dort wird keine Politik betrieben, sondern versucht, Politik zu dekonstruieren – Geschlechterpolitik nämlich. So wie sie in Kultur, Gesellschaft, Medien erkennbar ist. Es ist ein institutionalisiertes Werkzeug, aus dem politische Maßnahmen und Strategien abgeleitet werden können. Mehr aber auch nicht. Politik ist nicht Aufgabe der Wissenschaft. Sie forscht. Doch das ist schon wichtig genug. Denn Gender Studies zerlegen gesellschaftliche Verhältnisse in ihre Einzelteile. Sie erklären uns, wie das Ganze zusammengesetzt ist und wie es funktioniert. Sie schlüsseln Ungleichverhältnisse auf und zeigen Schwachstellen im System (zum Beispiel, dass nicht alles naturgegeben ist). So können wir herausfinden, wo wir ansetzen müssen. Ein politisches Projekt braucht Emotionen. Ohne sachliche Grundlage verkommt sie aber zur Propaganda.
Ein feministischer Populismus entsteht
Da kommen wir dem Verständnis des Konfliktes schon näher. „Zwischen Feminismus und Gender-Studies klafft ein tiefer Graben“ schreibt die EMMA. Allerdings macht das nur Sinn, wenn Alice Schwarzer und EMMA der Feminismus sind. Viel eher handelt es sich nur um einen Feminismus. Und zwar einen weißen, reichen Mittelstandsfeminismus, der von den Tendenzen des übrigen Mittelstandes eben auch nicht gefeit ist. So geraten sie immer mehr in die Emotionslage rechten Fahrwassers. Und werden selbst zu einem populistischen Organ.
Schwarzer selbst verwendet seit Jahren Begriffe wie „die Moslems“, „der Islam“, „die Flüchtlinge“. Sie verwendet diese Worte wenig differenziert, beinahe synonym und schert alle über einen Kamm. Und das, obwohl es fast zwei Milliarden Moslems auf der Welt gibt. Selbst „Flüchtlinge“ ist viel zu pauschal, weil damit mittlerweile umgangssprachlich nicht nur anerkannte Flüchtlinge gemeint werden. Und selbst die kommen aus so vielen Ländern und aus diesen wiederum aus so vielen Schichten, Religionen, Einkommensklassen, Bildungsschichten, dass schlichtweg nicht von einer Kultur, einem Frauenbild gesprochen werden kann.
Das ist ihr alles Wurst. Alice Schwarzer argumentiert genau so undifferenziert wie der Rechtspopulismus und schürt Ressentiments. Da ist sie mit ihren Ansichten ja nicht gerade in feministischer Gesellschaft. Die AfDs und FPÖs dieser Welt klopfen ihr plötzlich auf die Schulter. Und ihr wird viel feministische Kritik zu teil. Warum tut sie das?
Womöglich schwimmt sie auf der Welle einer populären politischen Stimmung mit, um in die Medien zu kommen. Sie ist nicht mehr einziges Sprachrohr des Feminismus, da ist Aufmerksamkeit umso teurer und Populismus ein probates Mittel. Andererseits ist evident, dass sie eh rechtskonservative Feministin ist und diese Positionen genau ihr Ding zu sein scheinen. Es handelt sich ja auch um Differenzfeminismus, der pauschal von Frauen spricht. Der Second Wave des Feminismus hat viel stärker mit einfachen, starren Kategorien gearbeitet. Damit konnte politisch auch viel errungen werden. Nur ist mittlerweile die Gesellschaft stärker ausgefächert, unser Verständnis von Identität viel komplexer geworden. Insofern wird sie sich von einem liberalen, queeren oder intersektionalen Feminismus noch länger anhören müssen, islamophob, rassistisch oder homophob zu argumentieren. Denn dieser Sachverhalt liegt schlichtweg vor, wenn einer größeren Gruppe anhand eines Merkmales (wie zum Beispiel Religion, Hautfarbe, Herkunft, sexuelle Orientierung, Geschlecht, …) automatisch andere Merkmale oder Verhaltensweisen zugeschrieben werden. Dann haben wir einen -ismus. It’s as easy as that!
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Sabine Hark zu der Frage, warum jetzt ausgerechnet von feministischer Seite Antigenderismus betrieben wird:
Divide et impere!
Alice Scharzer und die EMMA sehen sich immer noch als einzig legitimes Sprachrohr des Feminismus. Doch sie fühlen sich in ihrer Allmacht über feministische Diskurse zunehmend bedroht. Durch ihren islamophoben und populistischen Diktus wurde ihr viel feministische Kritik zuteil, vor allem von queerfeministischer Seite und den Gender Studies. Dass sie sich nicht ernsthaft der Kritik stellen, ist zwar kindisch, der Widerspruch gegenüber anderen feministischen Positionen ist dennoch legitim. Wir brauchen diese Diskussionen. Dass sie aber versuchen, Queerfeminismus und Gender Studies vom Feminismus abzuspalten, weil es ihre Deutungshoheit bedroht, ist für die Bewegung hochproblematisch. Wir werden nämlich trotz aller Differenzen wieder an einem Strang ziehen müssen, wenn es um gemeinsame Interessen geht.
Dann werden wir nämlich alle Kräfte brauchen.
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Mehr zur Geschichte der Institutionalisierung des Feminismus in:
Hark, Sabine: Dissidente Partizipation.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main. 2005.