Abtreibungsverbot Polen Aborcja jest

Die polnischen Proteste gegen das Abtreibungsverbot

In Polen hat das Gesetzt für ein Abtreibungsverbot der regierenden PiS zu massiven Protesten geführt. Ich habe die Journalistin Katarzyna Wezyk, Autorin des Buchs „Aborcja jest“ („Abtreibung ist“) gefragt, wie die Situation in Polen aussieht. 

Patrick: Liebe Katarzyna, wie sieht die Situation in Polen aus?

Katarzyna: Polen hatte bereits seit 1993 eines der strengsten Gesetze bezüglich Abtreibung in Europa. Abtreibung war illegal, es gab nur drei Ausnahmen: 1. Wenn Leben oder Gesundheit der Frau gefährdet sind, 2. wenn die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung oder Inzest resultiert oder 3. der Fötus stark beeinträchtigt ist. Deshalb gab es nur 1.000 Abtreibungen im Jahr und das in einem Land mit 38 Millionen Menschen und 97% davon aufgrund der 3. Ausnahme, eines beeinträchtigten Fötus. Seit die nun regierende PiS 2015 an die Macht gekommen ist, haben die Kirche und ultrakonservative Organisierungen massiv auf ein totales Abtreibungsverbot gedrängt. Wann immer die PiS versucht hat, eines durchzusetzen, mussten sie den Gesetzesentwurf aufgrund der massiven Proteste auf der Straße zurückziehen. Letzten Oktober hat das Verfassungsgericht entschieden, dass die 3. Ausnahme nicht verfassungskonform ist und damit legale Abtreibungen in Polen de facto unmöglich gemacht. 

Patrick: Wie reagieren die Leute in Polen darauf?

Katarzyna: Das neue Abtreibungsverbot hat die massivsten Proteste in Polen seit 1989 mit sich gebracht. Es ist auch nicht nur ein Protest, der von Warschau oder den großen Städten ausgeht, auch in kleineren Orten gehen die Menschen auf die Straße. Das ist neu. Im Oktober und November fanden die Proteste sogar wöchentlich statt und die größte Demonstration in Warschau zog 100.000 Menschen auf die Straße. 

Patrick: Sind irgendwelche Änderungen der Lage in Sicht?

Katarzyna: Da die PiS diesmal hart blieb und kurz danach der kalte Winter einzog, flachte der Protest etwas ab. Ob er in der Form wiederaufgenommen werden kann, wird sich zeigen. Aber was wir doch wahrnehmen, ist, dass die Debatte sich deutlich verschoben hat. Vorher waren sogar viele so genannte Liberale mit der restriktiven Regelung unter den drei Ausnahmen weitgehend einverstanden. Aber nachdem totalen Verbot und den massiven Protesten mehren sich die Stimmen, dass es erlaubt sein und eine Entscheidung der Frau über ihren eigenen Körper sein sollte. Das ist für Polen wahrlich revolutionär!

Das Buch von Katarzyna Wezyk „Aborcja jest“ („Abtreibung ist“) ist auf Polnisch erschienen und beschäftigt sich mit der Geschichte der Abtreibung, den Hintergründen der Menschen, die sich dafür entscheiden und mit der politischen Debatte dazu. 
Unglücklicherweise scheint eine Neuregelung in Polen in naher Zukunft nicht realistisch, doch neben wachsendem Widerstand scheint glücklicherweise ein neues Verständnis zu gedeihen. Man sollte jedoch nicht dem Irrglauben anhängen, dass es ein rein polnisches Problem ist: Religiös fundamentalistische und ultrakonservative Bewegungen erstarken gerade in ganz Europa und versuchen die Entscheidungsfreiheit über den eigenen Körper wieder einzuschränken. Den polnischen Aktivismus zu unterstützen ist nicht nur eine Unterstützung für den polnischen Protest, sondern für Pro Choice im Allgemeinen. Ihr könnt helfen, indem ihr Organisationen wie Ciocia Wienia bei ihrem Crowdfunding unterstützt. Sie sammeln Geld um polnischen Frauen zu helfen, im Ausland Hilfe zu finden. 

Danke für eure Unterstützung!

About The Author


Pat

Patrick ist Autor und Filmemacher. Er macht Dokumentarfilme und produziert mit Arthouse Vienna Queer, Feminist und Arthouse Porno.

Er hat mit "Feminismus fickt!" ein Buch über Perspektiven feministischer Pornoindustrie geschrieben.

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