Die Kinsey-Skala: Teste deine Sexualität!

Mark und Klara schlafen seit Jahren nur mehr miteinander, die sind doch eindeutig hetero. Jasmin kann sich eine Nacht mit einer anderen Frau vielleicht mal vorstellen – sie ist eh sicher bi, also 50:50. Und Flo, der nur Männer trifft, ist definitiv schwul. So stellen sich Menschen Sexualität gerne mal vor, doch so einfach ist das nicht:

Sexualität ist fluid. Das bedeutet, dass sie fließend ist oder anders gesagt: im Fluss. Sie befindet stets in Bewegung und ist immer dabei, sich zu verändern. Dadurch kann sie nicht einfach festgehalten und benannt werden. Wer beispielsweise Jahre lang nur mit Frauen zusammen war, muss nicht zwingend ausschließen, mit Männern zu verkehren. Sexualität ist also nichts Fixiertes, das für immer und ewig genau so bleibt oder bleiben muss, wie es jetzt ist. Insofern können wir Sexualität eigentlich weder testen, noch uns anschließend einer Kategorie mit bestimmten Eingrenzungen zuordnen.
Alle, die sich dennoch einen halbwegs offen gehaltenen Überblick über ihre Sexualität einholen möchten, können die Kinsey Skala dafür nutzen.

 

 

Was passt zu mir?

Viele Menschen kennen das Hinterfragen der eigenen Sexualität. Dann kommen vielleicht Gedanken auf wie: „Ich find Maria irgendwie anziehend und Julia auch, bin ich doch nicht nur bi?“ oder „Ich hab jetzt einen One Night Stand mit einem Mann gehabt, bin ich etwa homosexuell?“ Mit solchen Fragen kann man sich leicht verunsichern, denn es gibt (meist) keine klare Antwort auf sie zu finden. Irgendwie passt kein Begriff so richtig und doch probiert man sich immer wieder aufs Neue in eine Kategorie hineinzuzwängen. Die verwirrenden Fragen lassen aber auch dann keine Ruhe, weil es nun mal keine klare Grenze gibt, kein Wort, auf das man sich festlegen und das die Komplexität der eigenen Sexualität greifbar machen könnte. Wie auch?

 

 

Sexualität ist ein Spektrum

Sexualität beschreibt folglich ein weites Spektrum. Man ist immer mehreres zugleich (deswegen ist der Begriff „queer“ auch sehr schön, denn er umfasst alles Mögliche).
Wir sind einfach alle viel zu einzigartig, um in immerwährende Grenzen hineinzupassen. Das ist zwar manchmal unangenehm, unsicher und beängstigend, aber es bedeutet auch, dass wir einfach frei sind und sein und fühlen dürfen, was wir in diesem Moment oder dieser Phase sind und fühlen, ohne dabei unsere gesamte Identität zwischen extremen Kategorien wie Hetero, Bi (was gesellschaftlich meist als exakt bemessenes 50:50 gilt) und Homo herumschieben zu müssen. Dabei unterdrücken wir im schlimmsten Fall noch unsere Sexualität, um beispielsweise in Heterosexualität passen zu können, nur um so zu sein, wie’s gesellschaftlich „erlaubt und richtig“ ist.
Das soll nicht bedeuten, dass es schlecht ist, wenn sich jemand total hetero fühlt oder total homo oder genau 50:50 bi. Ich will bloß ausdrücken, dass da noch so viel mehr ist und betonen, dass dieses „Mehr“ wertvoll ist und es verdient, Raum zu bekommen. Auch ohne dass die eigene Sexualität mit einem Begriff erklärbar ist, ist sie berechtigt und erlaubt so zu sein, wie sie ist.
Möchte man jetzt aber trotzdem eine grobe Zuordnung finden, ist es ratsamer die Perspektive zu ändern und über Bereiche und deren Übergänge zu sprechen als über fixierte Benennungen. Sexualität in Bereichen zu denken, lässt etwas mehr Freiraum für unsere Vielfalt, auch wenn ihre Komplexität, wie gesagt, niemals gänzlich fassbar werden kann und sie sich immer in einem abstrakten Rahmen bewegen wird.

 

 

Die Kinsey-Skala

  Der Sexualforscher Alfred Charles Kinsey hat hinsichtlich solcher Bereiche der Sexualität geforscht und nach vielen Beobachtungen die Kinsey-Reports (1948-1953) entwickelt, die eine Skala enthalten, anhand derer sich acht verschiedene Bereiche der Sexualität ausmachen lassen. Diese Zwischenstufen erlauben einen Blick auf Sexualität zu werfen, der über die Unterscheidung zwischen homo und hetero hinausgeht. Dabei betont Kinsey, dass nicht die Anzahl der Bereiche entscheidend sei, sondern die fließenden Übergänge, die zwischen ihnen liegen. Die Skala ist außerdem nicht nur auf sexuelle Handlungen beschränkt zu lesen, sondern schließt auch Wünsche, Gedanken und Fantasien mit ein. Was genau bedeutet das? Wenn Mark und Klara aus dem Beispiel oben jeweils gleichgeschlechtliche Fantasien haben, obwohl sie nur heterosexuell verkehren, entsprechen sie auf der Kinsey Skala keiner Null (ausschließlich heterosexuell), sondern liegen vermutlich zwischen den Bereichen 1 bis 3 – je nach Intensität und Häufigkeit.

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Wo stehst du?

Die einzelnen Bereiche der Skala lassen sich durch ihre Beschreibung leicht verstehen. Sie reichen von ausschließlich heterosexuell zu ausschließlich homosexuell und beinhalten vier Zwischenstufen. Außerdem gibt es einen Bereich, der Asexualität thematisiert. Falls man sich beim ersten Ansehen der Skala noch nicht in einem der Bereiche wiederfindet, kann man auch einen Test ausprobieren, der einem bei der Einordnung hilft. Er berücksichtigt sowohl den Aspekt sexueller Handlungen, als auch Fantasien und Wünsche: Hier findest du den Test.

 

Es kann aber auch sein, dass du dich auf dieser Skala gar nicht wiederfinden kannst, und auch das ist in Ordnung. Denn obwohl die Skala Übergänge bedenkt und einen offeneren Zugang zu unserer Sexualität erlaubt, ist sie nur eine Skala, nur ein Versuch, etwas zu beschreiben, das eigentlich einfach nur zu fühlen ist.

About The Author


Ani

Ani hat Theater-, Film- und Medienwissenschaften mit dem Fokus auf feministischen Filmtheorien studiert und setzt sich künstlerisch in Form von experimentellen Filmprojekten und Musik mit Verletzlichkeit und Intimität auseinander.

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