Alternative Pornografie, sei mein LOVER

Mainstream-Pornografie funktioniert mit Hilfe von sexuell expliziten Aufnahmen. Das bringt zwar viele Menschen zum schnellen Orgasmus, erzeugt aber weder Sinnlichkeit, Intimität noch sieht es ästhetisch aus. Will Hoffmann und Julius Metoyer haben an dieser Problematik ansetzend versucht, sexuelle Nähe und Begierde mit anderen Mitteln, als die der Mainstream-Pornografie, zu zeigen.

Filmästhetik von LOVER

In ihrem erotischen Kurzfilm LOVER arbeiten sie mit warmem Licht, einer bewegten Kamera und spielen mit Schärfe und Unschärfe. In Kombination mit schnellen rhythmisierten Schnitten und einer pulsierenden Musik wirkt der Film schon ganz anders, als ein 0815-Porno. Dieser lenkt die Kamera nämlich meist einfach nur gefühllos auf hell beleuchtete Geschlechtsteile.

 

Bei LOVER wird der Blick, wie im Porno, auch fragmentarisiert. Aber es werden nie Geschlechtsteile in den Nahaufnahmen gezeigt. Stattdessen erzeugen die Filmemacher Sex, Intimität und Lust über das Zeigen der Gesichter der Personen. Statt Körpern werden also Personen gezeigt. Statt Sexmaschinen werden tatsächliche Paare gezeigt, die sich intim kennen. Dadurch sind die Menschen, die man sieht, nicht austauschbar. Sie haben Ausdruck und Charakter. Bilder von Mündern, Gesichtern, Händen und Schultern erotisieren die Aufnahmen also und setzen die Imaginationskraft bei den Zuseher*innen frei. Dieser verschleierte Blick spart das Wesentliche der sexuellen Handlung aus und lenkt die Aufmerksamkeit auf verschwommen wahrgenommene Körperstellen und kleine Gesten, die das Geschehen andeuten.

 

 

Während des Orgasmus der Paare, erreichen alle sich bisher rhythmisch steigernden filmischen Mittel gemeinsam ihren Höhepunkt. Dabei werden hauptsächlich die Gesichter der Frauen fokussiert. Direkten Zugang zum Geschehen bietet das Stöhnen einer Frau, das in die Musik miteinbezogen wurde. Der Film arbeitet folglich mit einem Ästhetik- und Kunstanspruch, den der Porno nicht hat.

 

„We wanted to make a film that wasn’t about watching sex, but instead, triggered memories of the way you felt when emotionally surrendered with a partner. That moment where you let go of judgment or self-consciousness and just open yourself up to impulse and desire.” –  Hoffmann/Metoyer

 

 

Wieso funktioniert das?

Das erotische Erlebnis beim Ansehen eines Films zeichnet sich durch den Reiz der Abwechslung des Gezeigten und Nichtgezeigten aus. Das Knistern entsteht also „zwischen Bild und Ton, On und Off – Leinwand und Publikum“. In unseren Köpfen, angestoßen durch einen Stimulus oder eine Stimmung, läuft dann das Ungezeigte als Fantasievorstellung ab. Erotik ist folglich geheimnisvoll und unfassbar, „wie ein Filmbild, das einen Wimpernschlag lang aufflackert“, was LOVER tatsächlich umsetzt. Pornografie arbeitet im Vergleich dazu nur mit dem Gezeigten. Dadurch kann kein Wechselspiel zwischen Sehen und fantasievollem Ergänzen stattfinden. Der Eindruck kann sich deshalb nicht entwickeln, weil er bereits mitgeliefert wird.

 

 

Das Geheimnisvolle der alternativen Pornografie

Die Verschleierung und das Geheime werden in alternativen pornografischen Darstellungen stark thematisiert, so wie auch LOVER beweist. Sie grenzen sich dadurch von den explizit detaillierten Bildern des Mainstream-Pornos ab. Stattdessen zeigen sie erotische und kunstvolle Bilder. Die Abgrenzung zu dezidiert pornografischen Bildern versetzt sie in einen erotischen und kunstvollen Kontext. Durch eben dieses Nicht-Zeigen der entscheidenden Berührung bzw des sexuellen Geschehens, wird ein Raum für Fantasie geöffnet. Im Mainstream-Porno wird alles so genau gezeigt, dass für eigene Vorstellungen kein Platz mehr bleibt. Der sinnliche Ansatz alternativer Pornografie und Erotikfilme öffnet hingegen einen Imaginationsraum. Die eigenen Fantasien und Vorstellungen sollen die alternative Pornografie ausfüllen.

 

If your only goal is to arouse someone then you should make porn. If you want to try to make someone think or feel something else, you have to create a different set of rules, most of which we made up along the way. – Metoyer/Hoffmann

 

 

 

Quellen:
Hoffman Will/ Julius Metoyer, „Love and Lust in LA“, https://www.nowness.com/story/love-and-lust-in-la.
Zitate von: Maurer, Andreas, „Editorial“, Erotik (CINEMA 51), 2006, S.7.

About The Author


Ani

Ani hat Theater-, Film- und Medienwissenschaften mit dem Fokus auf feministischen Filmtheorien studiert und setzt sich künstlerisch in Form von experimentellen Filmprojekten und Musik mit Verletzlichkeit und Intimität auseinander.

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