Über mehrere Jahre (1964-1967) drehte Künstlerin und Feministin Carolee Schneemann den stummen Film „Fuses“, der sie und ihren damaligen Freund James Tenney beim Sex zeigt.
Ihre Selbstaufzeichnungen wurden mit Hilfe von 16mm festgehalten und anschließend künstlerisch von ihr bearbeitet. Durch das Verfremden des Filmmaterials mit Mitteln wie Färbung der Filmstreifen, Überblendungen, Flecken und Brandspuren ist „Fuses“ eine spannende Kollage aus sinnlichen, erotischen und abstrakten Bildern geworden.
Worum gehts?
Der Film basiert im Grunde auf keiner deutlichen Geschichte, sondern zeigt die Nähe zweier Menschen zueinander und spricht ihre Verschmelzung an, den Sex und die Berührungen. Sinnlichkeit, Farben, Lichtspiele, flackernde Bilder und die Erzeugung einer intimen Atmosphäre prägen den Film. Detailaufnahmen und ständige Perspektivenwechsel verhindern eine klare Sicht auf das Geschehen, während sie gleichzeitig bannen. Ein Rhythmus von ständigem Entstehen, Sich-Entwickeln und Wieder-Abbrechen wird durch Carolee Schneemanns eingesetzte Mittel spürbar.
Der Film zeigt den weiblichen und männlichen Körper in all seinen Facetten und thematisiert Begierde, Sexualität und Körperlichkeit ohne den Kunst-Kontext zu verlieren. Die freie Sicht auf entblößte Genitalien, und die folglich direkte Konfrontation mit Tabu-Themen, erzeugen zwar Radikalität und bestimmen die Stimmung, durchbrechen aber trotzdem die Ästhetik des Films nicht. Und vor allem an diesem Punkt setzt meine Bewunderung für Carolee Schneemanns Schaffen an: Es handelt sich bei „Fuses“ um einen radikalen Film, der durch einige Nahaufnahmen durchaus provoziert und Tabus bricht, und dennoch keine Sekunde seinen Kunstcharakter verliert.
Der Unterschied zu Pornografie
Carolee Schneemann stellte sich der Frage, ob sich die Aufzeichnung des eigenen sexuellen Aktes von Pornografie unterscheiden würde. Die Antwort lauet in ihrem Fall definitiv: Ja! Auch wenn in feministischen Kreisen „Fuses“ nicht viel Aufmerksamkeit erlangt hat, finde ich den Film irrsinnig wichtig und spannend hinsichtlich der Frage nach der Grenze zu Pornografie. Im Gegensatz zu pornografischen Filmen wird die Frau in „Fuses“ in ihrer eigenen Sexualität dargestellt. Carolee Schneemann entwirft Sex so, wie sie ihn erlebt, wodurch das Betrachten ihres Films Intimität und Sinnlichkeit erzeugt. „Fuses“ braucht keine Unterdrückung oder Fetischisierung der Frau, um funktionieren zu können, oder um Begehren sichtbar zu machen, was ihn deutlich von pornographischen Strukturen abhebt. Das beweist schon im Jahr 1967, dass keine männlich dominierte Sichtweise notwendig ist, um sexuelle Akte ansprechend entwerfen zu können. Die Regeln der Pornografie treffen auf „Fuses“ nicht zu und visualisieren sexuellen Kontext ohne auf die üblichen Mittel zurückgreifen zu müssen. Ein erotisches Kunstwerk ist somit entstanden.
„…I wanted to see if the experience of what I saw would have any correspondence to what I felt– the intimacy of the lovemaking… And I wanted to put into that materiality of film the energies of the body, so that the film itself dissolves and recombines and is transparent and dense– as one feels during lovemaking… It is different from any pornographic work that you’ve ever seen– that’s why people are still looking at it! And there’s no objectification or fetishization of the woman.“
Carolee Schneemann
Das Gesehene ist also undeutlich, trotzdem sehr nah und gleichzeitig sprunghaft. Der Blick ist durch die stark verzerrenden Gestaltungsmittel verschleiert und doch sehr zielgerichtet und immer im Rahmen von Sinnlichkeit und Erotik erlebbar. Meiner Meinung nach hat Carolee Schneemann einen sehr faszinierenden Film entworfen, der Handlung durch Stimmung ersetzt, und in eine ferne und doch bekannte Welt entführt. Seht ihn an und lasst euch fallen!
Und die Moral der Geschichte: Es entsteht großartiges, wenn man sich vorgegebenen Regeln entzieht, und neue Darstellungsweisen und Formen ausprobiert.