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Causa Sigi Maurer und Craftbeer: Wie Täter geschützt und Betroffene zum Schweigen gebracht werden

Eine ehemalige Abgeordnete muss 4.000€ Entschädigung an den Mann zahlen, von dessen Account sie folgende Nachricht erhalten hat. Ein eindrucksvolles Beispiel der strukturellen Täter-Opfer-Umkehr und warum die Dunkelziffer bei Sexualdelikten auch weiterhin so hoch bleiben wird.

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Sigrid Maurer Craft Beer Store Message Lastufka

 

In Zeiten des Rechtpopulismus hat Sexismus Hochkonjunktur. Natürlich sind nicht nur Rechtspopulisten Sexisten, aber sie schaffen ein politisches Klima, in dem man leichter damit durchkommt. Trump konnte den sexueller Angriffe beschuldigten Richterkandidaten Kavanaugh nicht nur durchboxen, interessant ist vor allem, was er daraus gemacht hat. „It’s avery scary Time for young Men in America“ – Trump macht das, was Rechtspopulisten am besten könnten: ihre Agenda mittels Täter-Opfer-Umkehr pushen.

 

Täter-Opfer-Umkehr in politischen Kampagnen

 

Das kennen wir doch von irgendwoher?! Die FPÖ betreibt das schon seit Jahren erfolgreich. Sie nutzt es sogar mehrgleisig: Sie ist Opfer gegenüber den vergewaltigenden Flüchtlingen, denen sie Einhalt gebieten müsse. Aber auch gegenüber den Frauen, die falsche Anschuldigungen gegen arme Männer verbreiten würden. Ein Double-Bind und noch hält der Knoten trotz aller Widersprüche. Man erinnere sich: „Frauenhäuser zerstören Ehen“, so hallt es aus der nunmehrigen Regierungspartei. Deshalb kürzt die blaue Frauenministerin auch radikal Fraueninitiativen, darunter auch den Verein autonomer Frauenhäuser, während sie 40.000€ Förderung an eine schlagende Burschenschaft vergab (die Frauen nicht einmal aufnehmen).

Frauenhäuser waren ohnehin schon so überfüllt, dass viele Betroffene weggeschickt werden mussten. Was noch weniger Frauen dazu bewegte, überhaupt zu versuchen, diese Angebote in Anspruch zu nehmen. Welch deutlicheres Signal an von sexuellen Übergriffen betroffenen Frauen kann es dann noch geben, als weitere Kürzungen in dem Sektor vorzunehmen? Und auch noch Geld an rechtsextreme Vereine umzuschichten? Oder als einen Oppositionspolitiker, der wegen Verjährung der Anschuldigungen seinen Freispruch behauptet und in‘s Parlament zurückkehrt? Alles unter der Andeutung, es handle sich um eine Intrige vonseiten politischer Gegner?

 

 

Sigrid Maurer zeigt Netztrollen den Mittelfinger:

 

Wir sollten alle das Netz mit Mittelfinger fluten. Die Umkehr hat System. Und wird mit dem Siegeszug des Rechtspopulismus auch noch staatlich forciert. Sigrid Maurer hat die Nachricht des Craftbeer-Store Besitzers öffentlich gemacht, weshalb sie dieser wegen Rufschädigung klagte und in erster Instanz gewann. Er habe diese Message nicht gesendet, so die Behauptung, die ihm nicht einmal der Richter glaubte. Laut Urteilsspruch hätte Maurer erst rückfragen müssen, ob der Absender denn tatsächlich jene Person ist, die als Absender aufscheint. In Zeiten, in denen elektronische Kommunikation sowohl für Businessdeals als auch Amtswege genutzt werden kann, ist das schon absurd genug. Dass dieser kleine Restzweifel mitsamt einer Entschuldigung den Ladenbesitzer entlastet hätte, wäre zwar eine Farce gewesen, aber vielleicht noch zu schlucken. Man könnte wohl annehmen, dass er eine Mindestverantwortung über seine Accounts trägt und zumindest für Täterhinweise in der Pflicht stünde. Dass aber eine Frau, die Angriffe auf ihre Person veröffentlicht hat, nun auch noch dafür bestraft wird, ist ein handfester Skandal.

Fast eine halbe Million Menschen hat letzte Woche das Frauen*volksbegehren unterschrieben. Angesichts dessen, was in Österreich gerade passiert, ist es ein Wunder, dass noch nicht Millionen auf die Barrikaden gehen. Vielleicht werden wir das bald müssen.  Es scheint das einzige Mittel, die Politik, die einen Kampf gegen Frauen führt, ein wenig zur Vernunft zu bringen.

 

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Patrick Catuz, Autor, Feministische PornographiePatrick Catuz ist Autor, Filmemacher und Kulturarbeiter und lebt in Wien. Er hat in Klagenfurt (AUT) und Breslau (PL) Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie Angewandte Kulturwissenschaften studiert.

Er arbeitete bei Erika Lust und LUST FILMS in Barcelona, ehe er nach Wien zurückkehrte, um sich an der Universität für angewandte Kunst Wien seiner Doktorarbeit zu widmen. Er führt mit Adrineh Simonian die Firma Arthouse Vienna, die sich auf Queer, Feminist und Arthouse Porno spezialisiert.

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About The Author


Pat

Patrick ist Autor und Filmemacher. Er macht Dokumentarfilme und produziert mit Arthouse Vienna Queer, Feminist und Arthouse Porno.

Er hat mit "Feminismus fickt!" ein Buch über Perspektiven feministischer Pornoindustrie geschrieben.

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