Gabriele Rothuber: „Wer selbst eine tolle Aufklärung hatte, kann sich ewig dran erinnern!“

In dieser Serie zeigen wir Gesichter des Feminismus und portraitieren Aktivist*innen und Aktivist*en. Gabriele Rothuber ist diplomierte Sexualpädagogin und Sexualberaterin. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, was sie motiviert, im feministischen Bereich zu arbeiten, wie sie dazu gekommen ist, was die größten Herausforderungen sind und wie sie die nächsten Jahre sieht.


Wie bist du dazu gekommen, dich feministisch zu engagieren? 

Mich hat eine starke Mutter zu einer starken Frau erzogen. Gleichberechtigung war für mich vorgelebte Realität. Vielleicht habe ich gerade deshalb relativ spät begonnen, mich tatsächlich feministisch zu engagieren. 

Wie bist du auf Feminismus gekommen? Weißt du noch, wie dein Interesse begonnen hat?

Mit der sexualpädagogischen Arbeit und dem Engagement in LGBTI*-Belangen kam das dann sozusagen „von selbst“. Das geht gar nicht anders, weil es da noch so viel an Engagement braucht.

Wie siehst du den Zusammenhang zwischen Feminismus und sexueller Bildung? 

Ich erinnere mich noch gut an ein Zitat von Teresa Lugstein, der viel zu früh verstorbenen Mädchenbeauftragten in Salzburg, als sie vor vielen Jahren meinte, dass (Mainstream)Pornografie Jahrzehnte an feministischer Mädchenarbeit zunichte mache. Und ja, ich sehe auch den wichtigsten Zusammenhang in der Aufgabe der Sexualpädagogik, Gewalt, die sich in Mainstreampornos hauptsächlich gegen Frauen richtet, aufzuzeigen und zu dekonstruieren. Und das mit unterschiedlichsten Altersstufen: von der Volksschule bis ins Erwachsenenalter. Aber es ist nicht nur die klassische Sexualpädagogik, durch deren Themen sich Gleichberechtigung und Selbstbestimmung ziehen: Wir arbeiten ja auch ganz viel mit den Kleinen, zu Selbstwert, Grenzen, Gefühlen etc.

Sexuelle Bildung als feministischer Lern- und Auseinandersetzungspool ist für viele vielleicht der erste Berührungspunkt damit. Wer selbst eine tolle Aufklärung hatte, kann sich ewig dran erinnern! Infos über Verhütungsmittel oder STIs kann man sich im Netz holen. Was echt wichtig ist, ist der grenzachtende Umgang miteinander, das „Über-peinliche-Sachen-reden-Können“, die gemeinsame Verantwortungsübernahme und so weiter. Das wäre meiner Meinung nach ein wichtiger Output von sexueller Bildung.

Bist du vollberuflich Sexualpädagogin oder hast du noch andere Projekte?

Ich teile mir die Geschäftsführung mit einem Kollegen und bin verantwortlich für Teamleitung und Inhalt. Derzeit bin ich bei der Fachstelle Selbstbewusst angestellt. Mein Hauptaufgabengebiet extern ist die Schutzkonzeptbegleitung von Institutionen, zum Beispiel Kindergärten, Schulen, SOS Kinderdorf, Kinderfreunde. 

Ehrenamtlich engagiere ich mich seit 2012 in der HOSI Salzburg und bin im Vorstand als Intersex-Beauftragte und Obfrau – auch hier paritätisch. Mir liegt auch die Plattform Intersex Österreich, deren Gründungsmitglied ich bin, sehr am Herzen. Und meinem Naturell kommen Lehraufträge an div. Unis sehr entgegen: Ich liebe die Praxisvermittlung.

Was sind die größten Herausforderungen, die sich in deinem beruflichen Alltag zeigen?

Trotz guter Förderungen fehlt das Budget, um alle Anfragen positiv beantworten zu können, die vom Bildungsministerium verordnete Schulgeldfreiheit für externe Anbietende ohne finanzielle Unterstützung und auch die Anwesenheitsplicht bei den Workshops, die gerade Jugendliche fast nur mehr sozial erwünschte Fragen stellen lässt stellen die größten Herausforderungen dar.

Wo denkst du entwickelt sich das hin? Wie sieht die Zukunft aus?

Ich denke, dass durch die öffentliche Diskussion um den leidigen Entschließungsantrag der türkis-blauen Regierung – der nun ohnehin obsolet ist – vielen Erwachsenen bewusster geworden ist, was externe Sexualpädagogik im Gegensatz zum schulischen Aufklärungsunterricht leisten kann: Wir sind geschult, bilden uns laufend fort, benoten nicht, beantworten alle Fragen, öffnen Räume, um Wünsche und Ängste auszusprechen.

Derzeit werden im Ministerium Qualitätsstandards ausgearbeitet: externe Anbietende müssen sich akkreditieren lassen. Das heißt, dass die Sexualpädagogik allgemein einen höheren Stellenwert erhällt. Das finde ich gut.

Mein Wunsch ist zusätzlich, dass die Themen sexuelle Bildung und Prävention von sexualisierter Gewalt Eingang in pädagogische Curricula finden. Nicht nur als Wahlfach, sondern „Pflicht“, damit Pädagog*innen lernen, wie man zumindest Basiswissen interessant und unaufgeregt vermitteln kann. Und zwar nicht nur einmal eine Unterrichtseinheit, sondern übergreifend und begleitend. Und wenn dann auch noch Externe eingeladen werden, dann hätten Kinder und Jugendliche wohl endlich die Art der Begleitung in einem Lebensbereich, in dem sie jetzt meist völlig allein gelassen werden, die sich jede* von uns gewünscht hätte!

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Gabriele Rothuber ist diplomierte Sexualpädagogin, aystemische Traumapädagogin und -Fachberaterin, Sexualberaterin und Familienplanungsberaterin. Sie ist Geschäftsführerin der Fachstelle Selbstbewusst und Obfrau und Intersex-Beauftragte der HOSI Salzburg.

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