Die Körperdisziplin von Pornodarsteller*innen

Die Pornoindustrie will einerseits eine Art „Authentizität“ hinter körperlicher Lust finden, andererseits arbeitet sie darauf hin, den (weiblichen) Körper als Maschine zu zeigen, der funktionieren und leisten, aber dabei erotisch bleiben muss. Wie lassen sich diese beiden Ansprüche überhaupt miteinander verbinden?

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Dressur und Kontrolle

Das Ziel der Pornografie liegt darin, Betrachtende durch die Darstellung von Körpern und expliziter Körperlichkeit sexuell zu erregen. So weit, so gut. Die gezeigten Körper be- und entstehen allerdings im Rahmen disziplinierter Körperkontrolle. Das bedeutet, dass Körperdisziplin und Selbstbeherrschung den Alltag professioneller Pornodarsteller*innen prägen. Erreicht werden soll damit, dass die Körper der Darsteller*innen unter ihrer bewussten Kontrolle stehen und dadurch für das Set unerwünschte Reaktionen in den Hintergrund gedrängt werden können.
Sexuelle Erregung soll also beispielsweise während des offensichtlichen Sexualakts zwar inszeniert, die tatsächliche Erregung an sich aber unterdrückt und kontrolliert werden. Das führt zu einer sehr überspitzen und gespielten Ausstellung von Sexualität, wodurch die Privatperson hinter dem*der Pornodarsteller*in jedoch bewahrt werden kann.

Zugleich sind einige echte Körperreaktionen nicht nur erwünscht, sondern ein Muss im Pornogeschäft. Das Ausbleiben echter Reaktionen auf den Sexualakt, wie beispielsweise den männlichen Orgasmus, würde den Erfolg von Mainstream-Pornografie massiv mindern. Hier entsteht ein Paradoxon.

 
Paradoxe Wahrheit

Die Darsteller*innen werden zwar als dressierte Körpermaschinen inszeniert, aber das eigentliche Ziel der Körperdisziplin in pornografischen Filmen liegt in ihrem Bruch. Das Nicht-Einhalten-Können der geforderten Selbstbeherrschung sichert den eigentlichen Reiz und Erfolg der Pornografie.

In dem Moment des Kontrollverlustes verwandelt sich die bewusste Bewegung in körpergesteuerten Instinkt. Der Moment, in dem die Darsteller*innen ihre eigentlichen Empfindungen nicht mehr verstecken können, und für einen Moment tatsächliche Reaktionen bemerkbar werden (also die Selbstkontrolle verloren geht), zeigt sich eine „Echtheit“ hinter den Körpern. Die Selbstdisziplinierung der Akteur*innen soll also gezielt durchbrochen werden.
Das Provozieren dieser Momente, und der damit einhergehende Drang nach Authentizität, erreicht ihren Höhepunkt in ihrer Beobachtbarkeit: Der Moment der „Wahrheit“, stellt eine Art körperliches Geständnis dar, das als lustvoll rezipiert wird. Der Einsatz vieler Kameras während eines Pornodrehs, soll den Moment dieser Entblößung festhalten. Vor allem von weiblichen Darstellerinnen* wird Kontrollverlust erwartet und provoziert, da ihr Orgasmus nicht sichtbar stattfindet und sie anders „Echtheit“ zeigen müssen. 

 
La femme machine

La femme machine bezeichnet einen weiblichen Körper, der zum Objekt gemacht und dressiert wird, um im richtigen Moment die Selbstkontrolle loszulassen.
Pornografie setzt deswegen einige Praktiken gezielt ein, um die Darstellerinnen an ihre Grenzen zu bringen und ihnen echte Reaktionen zu entlocken. Die extrakorporale Ejakulation, der gang-bang, die mit ihm einhergehende double-penetration, und gagging als Erweiterung des deep-throat sind einige Beispiele dafür. All diese Extremsituationen können klitzekleine Momente auslösen, in denen der Körper reflexartig reagiert. Solche, meist gewaltsame, Momente einzulösen und filmisch festzuhalten, ist absolut bedenklich und prekär. Die unmenschlichen Bedingungen der Industrie lassen sich bereits hier erkennen. 

Das Ideal der Pornografie wird zusammenfassend durch die unkontrollierte Ekstase des Körpers charakterisiert, auf die insgeheim innerhalb des Settings hingearbeitet wird. Eine Art körperliches Geständnisritual ist des Pornos höchstes Ziel. 

Quelle: Lewandowski, Sven: "La femme machine und die 'Wahrheit' körperlicher Lust", in: Ders.: Die Pornografie der Gesellschaft: transcript 2012, S. 279-300.

About The Author


Ani

Ani hat Theater-, Film- und Medienwissenschaften mit dem Fokus auf feministischen Filmtheorien studiert und setzt sich künstlerisch in Form von experimentellen Filmprojekten und Musik mit Verletzlichkeit und Intimität auseinander.

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